Rom wurde nicht an einem Tag erbaut, so sagt der Volksmund. Was bei den alten Römern galt, trägt auch heute noch einen wahren Kern in sich: Bauen braucht seine Zeit. Umso vorausschauender muss staatliche Politik in diesem Kontext gestaltet werden. Dies hatte die Staatsregierung über Jahre hinweg leider vergessen. Für das Jahr 2016 waren beispielsweise 70.000 Fertigstellungen im Bereich des Wohnungsbaus in Bayern angestrebt, in der Realität erreichte man dagegen nur etwa 52.000. Dies entspricht einem Defizit zwischen Soll und Ist von 26 Prozent. Solche Bilanzen waren in den vergangenen Jahren leider bei weitem keine Einzelfälle.
Heute hören wir immer wieder vom Mangel an bezahlbarem Wohnraum oder gar von Wohnungsnot. Mit Blick auf die oben genannten Zahlen müssen wir zu dem Schluss kommen, dass es sich hierbei nicht zuletzt auch um hausgemachte Probleme der bundesdeutschen beziehungsweise bayerischen Politik handelt. In einer Zeit in der die Frage nach ausreichendem Wohnraum auch immer mehr zu einem zentralen Bestandteil der sozialen Frage des 21. Jahrhunderts wird, ist die Staatsregierung nun aber offenbar natürlich auch mt Blick auf die im Herbst anstehenden Landtagswahlen endlich aus ihrem komatösen Tiefschlaf erwacht und hat ein umfassendes Maßnahmenpaket („Werkzeugkasten für mehr bezahlbaren Wohnraum in Bayern“) für mehr Wohnungen auf den Weg gebracht. Die geplanten Kernelemente dieses Programms möchte ich im Folgenden kurz vorstellen. Ich hoffe nur, dass dieser Werkzeugkasten nicht nur ein Placebo bleibt, sondern die Werkzeuge auch greifen.
Die sechs Säulen des Maßnahmenpakets der Staatsregierung
Vorgesehen ist zum einen die Gründung einer staatlichen Wohnungsbaugesellschaft „BayernHeim“ noch vor der Sommerpause. Die neue Gesellschaft soll auf vorrangig staateigenen Flächen den sozialen Wohnungsbau verstärken. Insgesamt soll „BayernHeim“ bis zum Jahr 2025 mithilfe einer Ressourcenausstattung von bis zu 500 Millionen Euro 10.000 neue Wohnungen realisieren.
Die Staatsregierung plant außerdem die entsprechende Entwicklung des Geländes der ehemaligen McGraw-Kaserne in München Giesing, um diese Fläche in die Planungen zur Wohnbebauung miteinbeziehen zu können. Ziel ist, auf diesem Areal ein neues Stadtquartier mit bis zu 1.000 Wohnungen und Wohnheimplätze für niedrige Einkommensgruppen zu schaffen.
Darüber hinaus soll die Staatsregierung junge Familien mittels eines Bayerischen Baukindergeldes Plus sowie einer Bayerischen Eigenheimzulage beim Bau beziehungsweise Erwerb eines eigenen Zuhauses unterstützen. Das Bayerische Baukindergeld Plus muss als Ergänzung zum Baukindergeld des Bundes in Höhe von 1.200 Euro pro Kind und Jahr verstanden werden und umfasst noch einmal zusätzliche 300 Euro pro Kind und Jahr aus den Kassen des Freistaates. Die Bayerische Eigenheimzulage dient dagegen als einmalige Grundförderung in Höhe von 10.000 Euro unabhängig vom eigenen Familienstand oder der Anzahl der Kinder.
Daneben soll die Wohnraumförderung anhand einer ganzen Reihe von konkreten Maßnahmen eine Aufwertung erfahren: Verlängerung der Sozialbindung bei neuen Verträgen auf 40 Jahre, zusätzliche Fördermittel (jährlich 150 Millionen Euro) für Städte und Gemeinden, Einführung eines neuen Förderprogramms zur Unterstützung der Modernisierung von Ein- und Zweifamilienhäusern und Fortschreibung des Programms zur Förderung von Wohnraum für Studierende. Um den Mietpreisanstieg zu dämpfen, hat das Kabinett außerdem für fünf Jahre grundsätzlich einen Verzicht auf Mieterhöhung in staatlichen Wohnungen beschlossen.
Das Kabinett hat außerdem zwei Förderinitiativen für Kommunen zum Thema Flächensparen beschlossen. Zum einen die in Form einer Entsiegelungsprämie. Rund 25 Millionen Euro stehen hier für den Start 2018 zur Verfügung. 2019 sollen diese Mittel verstetigt werden. Mit der Initiative „Innen statt Außen“ sollen Gemeinden im Rahmen der Städtebauentwicklung und Dorferneuerung für ihr Engagement beim Flächensparen mit einem um 20 Prozentpunkte auf 80 Prozent (besonders strukturschwache Gemeinden gar auf 90 Prozent) erhöhten Fördersatz bei der Innenstadtentwicklung unterstützt werden. Diese Förderanreize sollen dazu beitragen, insbesondere leerstehende Gebäude und Brachen im Ortskern wieder nutzbar zu machen. Hierfür sollen 2018 rund 100 Millionen Euro zur Verfügung stehen.
Darüber hinaus soll die Digitale Baugenehmigung auf den Weg gebracht werden, um das Bauen in Bayern auf Dauer zu beschleunigen. Wegen der hohen Komplexität soll dieses neue digitale Baugenehmigungsverfahren zunächst in ausgewählten staatlichen unteren Bauaufsichtsbehörden (Landratsämtern) als Pilotprojekt anlaufen.
Die Ruhe vor dem Sturm im Wasserglas?
Die Pläne der Staatsregierung wurden mit großem Pomp verkündet. Nicht zuletzt der Umstand, dass Ilse Aigner entgegen aller parlamentarischen Gepflogenheiten in dieser Woche in Ihrer Funktion als Bauministerin einen entsprechenden Antrag der CSU-Fraktion zum Wohnungsbau mit Verweis auf oben genannte Programme begründete, zeigt wie sehr die Staatsregierung darum bemüht ist, ihr Maßnahmenpaket bestmöglich zu verkaufen. Es ist ja nun auch richtig: der Freistaat wird viel Geld in die Hand nehmen und an der ein oder anderen Stellschraube drehen. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Bau- und Wohnungspolitik in Bayern über Jahre hinweg quasi ungenügend bis nicht existent war. Die dadurch angesammelten Rückstände gilt es nun aufzuholen. Hierfür kann das Maßnahmenpaket der Staatsregierung meines Erachtens nach nur als ein erster guter Schritt in die richtige Richtung angesehen werden. Die Staatsregierung ist nun in der Pflicht auf dieser Basis weiter aufzubauen. Wenn dies nicht gesteht, dann könnte man bei den jahrelangen Versäumnissen im Bereich des Bauens schon bald von der Ruhe vor dem Sturm im Wasserglas sprechen.
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