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19 Juli 2012

Eil-Petition Hausen und Greußenheim scheitern auch im zweiten Anlauf im Bildungsausschuss – Härtefallregelung wäre verantwortbar gewesen

Auch nach fast vier Jahren im Landtag erlebt man noch Überraschungen. Mit einer Eil-Petition haben in dieser Woche die Elterninitiativen aus Hausen (Landkreis Miltenberg) und Greußenheim (Landkreis Würzburg) noch eine Sondersitzung des Bildungsausschusses vor der Sommerpause erzwungen. Aber bedauerlicherweise hat erneut aller Kampf der Eltern und von uns Oppositions-Parlamentariern nichts genützt, beide Petitionen auf Härtefallregelung wurden erneut von der Koalitionsmehrheit abgeschmettert. Somit wird es nun definitiv im kommenden Schuljahr keine ersten Klassen an den beiden Grundschul-Standorten Hausen und Greußenheim geben.



Vielmehr müssen die Erstklässler aus Greußenheim ab September in die benachbarten Schulverbands-Standorte Waldbüttelbrunn und Hettstadt mit dem Bus fahren. Die Hasener Kinder treten den Weg nach Kleinwallstadt an. Auch im zweiten Anlauf scheiterten die beiden Elterninitiativen mit einer Eil-Petition am Votum der Koalitionsmehrheit aus CSU und FDP mit ihren Anträgen auf eine sogenannte „Härtefallregelung“. Das ist mehr als bedauerlich, dass die Staatsregierung, die sonst immer groß verkündet, dass Bildung höchste Priorität hat, hier nicht in der Lage ist ein Sonderbudget von rund 23 Stunden pro Schule, sprich 1,4 Lehrerstellen, zusätzlich zur Verfügung zu stellen.






1,4 Lehrerstellen hätten zusätzlich zur Verfügung gestellt werden müssen - anscheinend zu viel für die Koalitionsmehrheit. Foto: Alexandra H./PIXELIO;pixelio.de


Als Mit-Berichterstatter votierte ich in der eigens einberufenen Sondersitzung des Bildungsausschuss für die Zuteilung der benötigten Lehrerstunden für eine zukünftige 1. Klasse im Schuljahr 2012/13. Meiner Auffassung nach muss es schließlich die Aufgabe der Staatsregierung sein, dafür zu sorgen, dass genügend Lehrerstunden zur Verfügung gestellt werden. Derzeit gibt es eine Schieflage bei der Behandlung von eigenständigen Grundschulen und mehrhäusigen in Schulverbänden organisierten Grundschulen.


Während eigenständige Schulen nach derzeitiger Regelung der Staatsregierung bis 26 Schüler erhalten werden können, müssen in Schulverbänden organisierte Schulen, obwohl sie wie im Falle Hausen und Greußenheim genügend Schüler für die Klassenbildung hätten, sich mit den übrigen Verbandsmitgliedern wegen der Klassenbildung abstimmen. In diesem Fall zu Ungunsten der Standorte Hausen und Greußenheim. Deshalb wäre eine in meinen Augen eine Härtefallregelung zu vertreten gewesen.


Jedenfalls kann es nicht weiter solche Ungerechtigkeit geben, entweder müssen alle Schulen eigenständig werden oder alle mit einer entsprechenden Regelung in Schulverbänden sich organisieren, dann aber die Rahmenbedingungen so großzügig mit Lehrerstunden bestückt sein, dass die Standorte auch erhalten bleiben. Grundsätzlich müssen nun die Kinder, Eltern und Verantwortlichen im Schulverband sich frühzeitig für eine verträgliche Lösung für das nächste Schuljahr 2013/14 umtun. Meiner Meinung nach könnte mit jahrgangsgemischten Klassen in den Jahrgängen ½ und ¾  mittelfristig der Grundschul-Standort Greußenheim gesichert werden. Aber auch für die Jahrgangsmischungen braucht es genügend Lehrerstunden zur Differenzierung und keine Sparversion wie das Kultusministerium bisher handhabt.



16 Juli 2012

Regierungskoalition will keine Weiterentwicklung der Ganztagsbeschulung

Ein Lehrstück landespolitischer Parteienpolitik durften wir FREIEN WÄHLER im letzten Bildungsausschuss vor der Sommerpause erleben. Mit einem umfangreichen Antragspaket mit sieben Anträgen zur Weiterentwicklung des Ganztagsschulbetriebes wollten wir Erfahrungswerte von Schulen, Trägern und Lehrkräften, die auf mehreren Kongressen diskutiert und für sinnvoll erachtet wurden, einbringen. Doch wieder einmal zeigte sich, dass die Regierungskoalition im Maximilianeum nicht an Sachpolitik interessiert ist, sondern nur an Machtpolitik.


Da bleibt mir zum Ende des vierten Jahres in der Landespolitik nur die Feststellung: Trotz anderslautender Bekenntnisse ist der Staatsregierung nicht ernsthaft an einem massiven Ausbau der Ganztagsbetreuung gelegen – nach wie vor ist die Ganztagsbeschulung das Stiefkind der bayerischen Bildungspolitik. Und dies, obwohl das Thema vielen Eltern auf den Nägeln brennt, wie ich aus zahlreichen Gesprächen mit den Betroffenen weiß. Man kann die Bemühungen der Staatsregierung durchaus anerkennen, muss aber leider auch feststellen, dass das Tempo im Ausbau längst nicht mit den Bedürfnissen der Eltern Schritt hält. Denn nach wie vor ist in Bayern nur jeder zehnte Schüler im Ganztagsbetrieb eingebunden. Und damit ist der Freistaat bundesweit hintendran.


Zur Verbesserung des aktuellen Ganztagsangebotes hatten wir FREIEN WÄHLER ein Antragspaket eingebracht, in dem wir unter anderem eine flexiblere Ausgestaltung der Ganztagsbeschulung vor Ort fordern – ausgerichtet am tatsächlichen Bedarf. Dieser fällt im ländlichen Raum oft ganz anders aus als in den Städten. Darüber hinaus forderten wir eine verbesserte Ausstattung mit finanziellen Mitteln und die Anpassung an die allgemeine Preisentwicklung, um die Qualität der Ganztagsbeschulung sicher zu stellen. Für Lehrkräfte in Ganztagsklassen sind außerdem eine höhere Stundenzuweisung und zusätzliche Anrechnungsstunden dringend notwendig. Ebenso müssen die Schulbaurichtlinien endlich auch den pädagogischen Gegebenheiten des Ganztagsunterrichts angepasst werden.





Foto: "Laura Promehl" / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc) http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/deed.de



Besonders pikant im Zusammenhang mit letzterer Forderung war die Nachfrage eines CSU-Kollegen, was denn hinsichtlich der Schulbaurichtlinien verändert werden sollte, das würde doch passen. Scheinbar ist ihm entgangen, dass zu einem Ganztagsbetrieb, zusätzliche Räumlichkeiten zur Differenzierung, zum Aufenthalt und zur Versorgung für die Schüler und auch Arbeitsräume für Lehrkräfte unumgänglich sind.


Besonders kontraproduktiv für eine Weiterentwicklung der Ganztagsschule ist nach unserer Ansicht das gesetzlich verankerte Verbot der Klassenmehrung. Mit dieser Regelung werden finanzielle Aspekte über die pädagogischen Notwendigkeiten gestellt und echte Ganztagsschulen verhindert und vor allem im Grundschulbereich deren Ausweitung massiv blockiert. Nahezu grotesk ist es deshalb, wenn die Abgeordneten von CSU und FDP bei ihrer Ablehnung feststellten, dass ihnen die Anliegen der Anträge bekannt seien und es nötig sei, daran zu arbeiten – sie dann jedoch einfach dagegen stimmten. So funktioniert (leider) Landespolitik!



16 Juli 2012

Nach Rundem Tisch ist eine Lösung für Gaibach in Sicht

Die Ortsumgehung Gaibach beschäftigt nicht nur die betroffene Bevölkerung im Volkacher Ortsteil seit vielen Jahren. Auch uns Politiker, auf kommunaler- wie Landesebene hält sie in Atem. Nachdem die Ortsumgehung der Staatsstraße 2271 im vergangenen Jahr im Entwurf der Staatsstraßenbedarfsplanung erst in den weiteren Bedarf zurück gestuft wurde und eine Realisierung vor 2025 danach nicht möglich sein wird, kochten die Emotionen in Volkach und drum herum zu Recht hoch. Auch der in die Schusslinie geratene Staatssekretär Eck musste sich Vorwürfe gefallen lassen, dass dafür die von seinem Wohnort wegführende Staatsstraße den Vorzug erhalten hatte.


Deshalb brachte dieser sobald den Vorschlag an die Kommune heran, das Projekt in einer sogenannten „Kommunalen Sonderbaulast“, bei der die Kommune bei einer 80 Prozentförderung durch den Freistaat einen 20prozentigen Eigenanteil beisteuern muss und zunächst als Baulastträger auftreten muss. Ein erster Vorschlag an die Stadt Volkach sowie den ebenfalls mit einbezogenen Landkreis Kitzingen war jedoch alles andere als akzeptabel. Nunmehr legte die Staatsregierung bei der Zweitauflage des Runden Tisches im Volkacher Rathaus in meinen Augen eine mehr als akzeptable Lösung vor.




Foto: "Tobias Mittmann" / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc) http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/deed.de


Demnach stehen zwei Modelle zur Auswahl. Die große Lösung, die eine Ortsumfahrung Volkach und Gaibach beinhaltet, sieht bei einem Kostenvolumen von 16,5 Millionen Euro (ohne Planungskosten) eine Förderung des Freistaates in Höhe von 13 Millionen Euro vor. Der Anteil des Landkreises läge zusätzlich bei 0,7 Millionen Euro, da ein Kreisstraßenabschnitt zur Lösung beitragen könnte und die Kosten für die Stadt Volkach würden bei rund 1,5 Millionen Euro liegen. Ein zweites Modell sieht lediglich die Ortsumfahrung Gaibach bei einem Kostenvolumen von 10,8 Millionen Euro und einem Eigenanteil von 0,9 Millionen Euro für die Stadt vor. Nunmehr ist der Volkacher Stadtrat am Zug und muss mit einem klaren Bekenntnis zu einer der beiden Lösungen Farbe bekennen.


Pikanterweise sei an dieser Stelle erwähnt, dass alleine vier verschiedene Bürgerinitiativen seit Jahren das Projekt Ortsumgehung aus ihrer jeweiligen Sicht anders gelöst haben möchten und damit nicht unbedingt zu einer Entscheidungsfindung im Volkacher Stadtrat beigetragen haben.



13 Juli 2012

Koalition lässt Elternpetitionen aus Unterfranken eiskalt abblitzen

„The Games must go on“, sagte einst IOC-Präsident Avery Brundage 1972 im Münchner Olympiastadion wenige Tage nach dem Attentat auf die israelitischen Sportler, die Olympischen Spiele gingen tags darauf weiter. Ein bisschen Anleihe an diesem Brundage-Ausspruch können die Elterninitiativen aus Hausen (Landkreis Miltenberg) und Greußenheim (Landkreis Würzburg) nach dem Besuch der Bildungsausschuss-Sitzung im Bayerischen Landtag nehmen, nur muss es in diesen Fällen heißen, ‚the fight must go‘.


In der Tat ist es der Kampf um den Grundschul-Standort ihrer Kinder, die rund 40 Elternvertreter in aller Herrgottsfrüh um 6 Uhr in Unterfranken aufbrechen ließ, um mit ihrer Anwesenheit auch die Unzufriedenheit mit dem bayerischen Bildungssystem kund zu tun und im wahrsten Sinne des Wortes ihren Petitionen beizustehen? Mit diesen begehrten die Elterninitiativen aus Hausen und Greußenheim eigentlich nichts Anderes als die Beibehaltung der Grundschule in ihrem jeweiligen Ort. Umso größer war nach einer knappen Stunde Redeschlacht die Enttäuschung und das Entsetzen der weit angereisten Besucher als die CSU/FDP-Mehrheit dies mit der Bemerkung ,„keine Möglichkeit den Petenten zu helfen“, ablehnte.





Foto: "Stefan Franke" / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc-nd) http://creativecommons.org/licenses/by-nc-nd/3.0/deed.de



Sicher sind  Ihnen alle noch die großspurigen Versprechen von Kultusminister Spaenle ‚Erhalt aller selbständigen Grundschul-Standorte – kurze Beine, kurze Wege‘ im Ohr. Doch daran wollte sich in diesem Fall kein Abgeordneter aus den Mehrheitsreihen erinnern. Geradezu paradox, dass in Hausen in diesem Schuljahr einige wenige Schüler für die Erstklassbildung fehlen und Greußenheim mit 14 Erstklässlern gar eine Klasse bilden könnte. Doch da beide Orte in einem sogenannten Schulverband mit anderen Ortschaften sind, orientiert sich die Klassenbildung an der Gesamtschülerzahl eines Jahrgangs des Schulverbands. Und in diesen Fällen geraten dann aufgrund des Schülerrückganges durch die demografische Entwicklung und der schülerorientierten Lehrerzuweisung die „schwächeren“ Standorte sprichwörtlich unter die Räder, weil die Lehrerstunden nicht ausreichen.


Nicht umsonst fordern wir FREIEN WÄHLER schon seit längerem eine Änderung der Lehrerstundenzuweisung, was übrigens auch als Zielsetzung im CSU/FDP-Koalitionsvertrag ausgemacht war, nur leider halten sich die Koalitionäre nicht dran. Wir brauchen eine schul- oder klassenbezogene Lehrerstundenzuteilung, sodass es nicht zu derartigen Dysparitäten wie im Fall Hausen und Greußenheim kommen kann und die Grundschul-Standorte endlich Planungssicherheit haben.


Doch davon waren wir in dieser Bildungsausschuss-Sitzung weit entfernt, denn die CSU blockierte jegliche Vermittlungsversuche. Damit müssen die Hausener Erstklässler im nächsten Schuljahr nach dem Willen der Staatsregierung täglich nach Kleinwallstadt und die Greußenheimer nach Hettstadt fahren. Wieder einmal wurde Bürgerwille mit Füßen getreten, ‚the fight must go on‘, die Petenten kündigten bereits an eine neuerliche Petition einzubringen.


Die Argumentation der Staatsregierung, dass in einem Schulverband eine eigenverantwortliche Regelung der Betroffenen vor Ort nötig sei, ist mehr als hinterlistig, denn wenn man die notwendigen Rahmenbedingungen, sprich Personalzuweisung, seitens des Kultusministeriums schon so eng hält, dass ein Schnaufen kaum möglich und Alternativen nicht machbar sind, dann werden die Bürgerinnen und Bürger einfach für dumm verkauft.


Und noch Eines muss ich fragen: Für was ist eigentlich die Möglichkeit einer Eingabe da? Genau, um Unmögliches im Einzelfall möglich zu machen und nicht von vorneherein – wie dies die CSU/FDP tut – lösungsdesinteressiert zu argumentieren. Da kann ich nur sagen, eigentlich müssten allwöchentlich Busse mit Elternvertreter aus allen möglichen Richtungen gen München fahren, um zu sehen wie ihre großmächtigen Volksvertreter von CSU und FDP sprechen und entscheiden. Symptomatisch, was eine Elternvertreterin weinend beim Hinausgehen sagte: „Alles Verbrecher, die da drin sitzen!“




12 Juli 2012

Steuerzahler bleibt wohl mit 5 Milliarden am Landesbank-Debakel hängen

Jetzt, da in diesen Tagen die Kabinetts-Klausur der Staatsregierung mit dem Haushaltsentwurf 2013/14 Bayerns Träume wieder sprießen lassen und der Ministerpräsident und Finanzminister nicht umherkommen zu betonen, in welcher „Oase der Stabilität und Dynamik“ wir im Freistaat leben, möchte ich nochmal an ein eher dunkles Kapitel bayerischer Politik erinnern: das Bayern LB-Desaster. Seehofer und Söder prahlen erneut damit, dass sie wieder eine Milliarde Euro Schulden tilgen. Das ist auch bitter nötig, denn dafür hat die damals allmächtige CSU 2008 auch 10 Milliarden Euro Schulden verursacht und damit für die dynamischste Schuldenerhöhung Bayerns gesorgt! Insofern muss das immer wieder bei aller vermeintlichen Stabilität und Dynamik betont werden, Seehofer steht auch für die größte Schuldendynamik, nur verschweigt er das.


Die Bayern LB waren für den Freistaat und die bayerischen Sparkassen der teuerste Lernprozess. Denn nach der Einigung im Rahmen des EU-Beihilfeverfahrens ist schon jetzt absehbar, dass der Wert der Bayerischen Landesbank am Ende weit hinter dem Wert zurück bleibt, den sie vor den desaströsen Fehlgriffen hatte. Denn wenn die BayernLB die Hälfte der zehn Milliarden Euro Kapitalspritze an den Freistaat zurückzahlen muss, bleiben immer noch fünf Milliarden Euro Steuergelder übrig, die aus den Erträgen der Bank weder kurz- noch mittelfristig zurückgeführt werden können. Es wird schwer genug, die von der EU geforderten fünf Milliarden Euro Rückzahlung zu bewerkstelligen. Hierzu wird die Bank gezwungen sein, sich erheblich zu verkleinern und sich von rentablen Unternehmensteilen zu trennen.





Ein Lernprozess, der mit viel Geld bezahlt werden muss. Foto: Eva-Maria Roßmann/PIXELIO;pixelio.de



Deshalb ist es nicht mehr als recht und billig, die Vereinbarung eines verbindlichen Rückzahlungsplans für diese fünf Milliarden Euro zwischen Freistaat und Landesbank zu fordern. Die Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht darauf zu wissen, wie und wann ihr „verblödeltes“ Geld wieder zurückkommt. Dabei muss der Bank allerdings ein großzügiger Zeitraum eingeräumt werden, damit sie bei möglichen Turbulenzen nicht erneut auf Staatshilfen angewiesen ist.


Einen durchaus positiven Aspekt hat die Europäische Union der Bayern LB ins Stammbuch geschrieben, die Abkehr von riskanten Geschäften. Schön wäre nur gewesen, wenn der ehemalige Vorstand und der Verwaltungsrat – mit den maßgeblichen Politgrößen der Stoiber-Ära besetzt – selbst darauf gekommen wäre. Denn nicht erst aus heutiger Sicht waren etwa der Kauf der Hypo Alpe Adria und der ungarischen MKB-Bank unverzeihliche Fehler, welche die Bayerische Landesbank an den Rande des Ruins gebracht haben. Es ist traurig, dass diese Erkenntnis erst der Nachhilfe des Parlaments, des Landesbank-Untersuchungsausschusses und der EU bedurfte.



6 Juli 2012

Durchpeitschen ist nicht mehr – BayKiBiG-Novellierung gestoppt

Manchmal gibt es sie noch, die kleinen Wunder! Es ist jetzt vielleicht ein bisschen überspitzt formuliert, aber dass sich die Regierungskoalition gestern im Sozialausschuss in die Knie hat zwingen lassen und den Gesetzentwurf der Staatsregierung zur Änderung des Bayerischen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetzes (BayKiBiG) erst einmal gestoppt wurde, grenzt schon an ein Wunder. Es zeigt gleichzeitig, wie berechtigt die scharfe Kritik der Opposition an diesen ungenügenden Änderungen scheinbar ist.



Mit scharfer Nadel gestrickt, sollte der Gesetzentwurf noch in den nächsten beiden Wochen durchs Parlament vor der Sommerpause durchgepeitscht werden. Nicht nur, dass die Regierung die Novellierung seit gut einem Jahren auf den Tisch bringen wollte. Jetzt war man plötzlich so in Eile, dass uns Parlamentariern nicht einmal mehr ausreichend Zeit eingeräumt wurde für eine eingehende Beurteilung und uns damit natürlich auch die Gelegenheit genommen wurde, den Gesetzentwurf Punkt für Punkt mit den eingebunden Verbänden zu besprechen. Ganz zu schweigen von den zahlreichen inhaltlichen Mängel im Gesetzentwurf, die die Verbesserungsvorschläge der Oppositionsparteien und betroffenen Verbände kaum berücksichtigten.





„Durchpeitschen um jeden Preis“ war das alte Motto. Jetzt bedarf es eines neuen. "Felix Clasbrummel" / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc) http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/deed.de


In dieses Schema „Durchpeitschen um jeden Preis“ passte dann auch, dass das Sozialministerium wenige Minuten vor Beginn der entscheidenden Sitzung des Sozialausschusses sogar noch neue Anträge vorgelegt hat. Ist das nicht eine Farce? Verbesserungsanträge für das eigene Gesetz!


Wir FREIEN WÄHLER finden, dass ein so bedeutendes Gesetz wie das BayKiBiG den Raum bekommen sollte, den es verdient. Vor allem: es gibt viel am neuen BayKiBiG auszusetzen und zu verbessern. Deshalb freut es mich ganz besonders, dass die Novellierung im Sozialausschuss dank dem Antrag der Grünen auf Anhörung und den Stimmen von den FREIEN WÄHLERN und SPD noch einmal Zeit gewonnen hat.




29 Juni 2012

Fehlende Lehrerstunden und schülerbezogene Budgetierung sind das Grundübel

Das Schuljahr neigt sich dem Ende zu und wieder steht der alljährliche Kampf um Lehrerstundenzuweisungen und Standortschließungen an. Gleich drei Standorte in Unterfranken sind in Gefahr und stehen zumindest vor dem Teil-Aus: Die Grundschulen Eisenbach und Hausen (beide im Landkreis Miltenberg) sowie die Grundschule Greußenheim.


Grundproblem bei allen Standort-Diskussionen sind zurückgehende Schülerzahlen und damit die Schwierigkeit mit dem seitens der Staatsregierung zur Verfügung gestellten Stundenbudget an die Schulämter genügend kleine Klassen bilden zu können. Dies resultiert wiederum aus der Tatsache, dass die Staatsregierung schülerbezogen die Lehrerbudgets verteilt und damit bei zurückgehenden Schülerzahlen jedem einzelnen Standort zu wenig Stunden zufallen. Beispielsweise fehlen im Schulamtsbezirk Bayerischer Untermain rund 400 Stunden um genügend kleine Klassen bilden zu können und damit auch alle Standorte zu erhalten.


Auch am Standort Greußenheim fehlen derzeit 30 Stunden um im kommenden Jahr erneut eine erste Klasse unterrichten zu können. Nach den derzeitigen Planungen müssen die Greußenheimer Erstklässer, die im Schulverband mit Hettstadt und Waldbüttelbrunn sind, im kommenden Schuljahr in einem der beiden Nachbarorte zur Schule gehen. Eigentlich nicht nachvollziehbar, denn es gäbe in Greußenheim genügend Erstklassschüler, 14 an der Zahl, die für eine eigenständige Klasse in Betracht kämen, aber in den beiden anderen Standorten sind zu wenige Erstklass-Schüler vorhanden, um jeweils eigenständige Klassen bilden zu können.





Oder beginnt diese im nächsten Schuljahr in Greußenheim erst gar nicht? Foto: Dieter Schütz/PIXELIO; pixelio.de



Somit werden durch die „Konstruktion Schulverband“ die Greußenheimer Schüler plötzlich zur Jongliermasse und müssen ggf. im kommenden Jahr mit dem Schulbus zur Schule fahren. Eine für mich nicht nachvollziehbare und nicht zu tolerierende Situation. Deshalb habe ich dieser Tage auch noch einmal ein Schreiben an Kultusminister Spaenle gerichtet mit der Aufforderung seinen Worten Taten folgen zu lassen. Denn stets verspricht Spaenle Grundschul-Standorte mit bis zu 26 Schülern aufrecht zu erhalten, aber genau das Gegenteil passiert nunmehr sukzessive an allen drei Standorten. Denn ist erst einmal ein Jahrgang nicht mehr an einem Schul-Standort vorhanden folgt schnell der nächste Jahrgang und in wenigen Jahren das Total-Aus!


Die FREIEN WÄHLER sehen nach wie vor in der Sicherung aller Grundschul-Standorte in Bayern unabhängig von der Schülerzahl eine der wichtigsten schulpolitischen Forderungen. Denn ein Schüler, der am vertrauten Heimatort beschult werden kann, hat meines Erachtens eine ganz andere Identifikation mit seiner „Heimat“ und einen ganz anderen Heimatbezug als wenn er von frühester Kindheit an in den Nachbarort fahren muss. Das Vereinsleben leidet erfahrungsgemäß genauso darunter wie das Zeitbudget der Schüler. Deshalb wird es eine große Aufgabe die Grundschul-Standorte zu erhalten. Auch halte ich eine veränderte Budgetierung in diesem Zusammenhang für enorm wichtig. Jede Schule bräuchte unabhängig von der Schülerzahl ein klassenbezogenes Basis-Budget, sodass alle Klassen bestehen bleiben können. Hochgerechnet benötigt man dafür in Bayern rund 1500 Lehrkräfte. Auch wenn das viel klingt, das Geld dafür muss es uns wert sein.



21 Juni 2012

Bürokratiemonster Landwirtschaft

Die Tage, dass ein Landwirt morgens aufsteht, die Tiere füttert, die Kühe melkt und anschließend sich aufs Feld begibt sind vorbei. Davon habe ich mich beim Kreisbauerntag überzeugen lassen. Statt dessen muss der Landwirt schon vor dem Füttern überlegen, ob er EU-konformes Futter verfüttert, muss darüber und über die Menge genau Buch führen und dies jederzeit akribisch genau belegen können. Wird da nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen? Oder informieren Sie sich etwa vor jedem Essen, wie viel Kalorien die Lebensmittel haben, welche Farbstoffe darin enthalten sind und ob diese Lebensmittel überhaupt gesund sind und führen Buch über ihre Nachrungsaufnahme?



Die Klagen der Landwirte über zunehmenden Bürokratismus höre ich seit Jahren. Doch nunmehr stellten die Main-Spessart-Landwirte mit einem Rollenspiel beim Kreisbauerntag einmal den Werdegang, den die Bürokratie in der Landwirtschaft genommen hat und wie dramatisch sie auf den Betrieben lastet, den Besuchern plastisch vor Augen. Ich war und bin erschüttert. Mittlerweile 20000 (!) EU-Verordnungen existieren für die Landwirte. Da frage ich mich als Laie, wer denkt sich so einen Schwachsinn aus?



In einer Zeitreise von der Vergangenheit bis zur Gegenwart zeigte die Kreisvorstandschaft des Bauernverbandes die Problematik der zunehmenden Bürokratie in bemerkenswerter Weise auf.


1970


„Stolz waren die Landwirte von 1970. Die Ämter für Landwirtschaft standen für zahlreiche Beratungen zur Verfügung. Hauptziel war es, die Erzeugung landwirtschaftlicher Produkte zu steigern. Viele Personen aus der Familie und vom Dorf waren bei der landwirtschaftlichen Arbeit mit eingebunden. Die Bürokratie beschränkte sich auf wenige Zettel, die dazu dienten, den Zuschuss für Betriebserweiterungen zu rechtfertigen. Mit der Ackerbauschule wurde die Grundlage des landwirtschaftlichen Wissens gelegt“.


1980


„1980 begann die landwirtschaftliche Überproduktion zu einem echten Problem zu werden. Die staatliche Steuerung von Preisen und Zuschüssen verursachte den meist als landwirtschaftlichen Gehilfen ausgebildeten Landwirten einen zunehmenden Papierkram, der von vielen noch im vorübergehen erledigt wurde. Schon damals zeigte sich, dass die Büroarbeit einen deutlichen Einfluss auf den Betriebserfolg entwickelte“.






Versinkt die Landwirtschaft zunehmend in Bürokratie?



1990


„Um 1990 ließen sich viele Landwirte schon als Meister ausbilden. Gerade in den folgenden Jahren stellten Agrarreformen die bisherigen landwirtschaftlichen Ziele auf den Kopf. Der Antragsaufwand mit dem Vierfachantrag nahm deutlich zu und war verbunden mit Kontrollen. Der Grundstock weiterer Bürokratiezuwächse war gelegt“.


2000


„Einzelne Lebensmittelskandale nahmen wählernahe Politiker zum Anlass, vor einer genauen Ursachenforschung neue Gesetze zu schmieden, die zusätzliche Kontrollen und Auflagen mit sich brachten. Die hervorragend ausgebildeten Landwirte, die stets korrekt arbeiteten, wurden mit weiterer Bürokratie beladen. Kontrollen und zusätzliche Auflagen – vor allem in der Landwirtschaft – sollten dem Verbraucher Sicherheit vermitteln“.


2010


„In der heutigen Zeit wird bei der Ausbildung der Junglandwirte den Bereichen Ökologie und Naturschutz einen besonders hohen Stellenwert eingeräumt. Die Zusammenhänge von sämtlichen landwirtschaftlichen Maßnahmen und deren Wirkung in der Natur sind bestens bekannt. Der Landwirt genießt ein hohes Ansehen! Vielfach wird den Landwirten mehr Vertrauen geschenkt wie einzelnen Markenprogrammen oder Auflagen. Mit Imagekampagnen reagiert der Bauernverband auf diese Trendwende. Nicht Bürokratie schafft Vertrauen, sondern das Wissen um die aufrichtige fleißige und nachhaltige Arbeit unserer Landwirte. Dennoch werden in einer Broschüre namens „Cross-Compliance“ auf 118 Seiten 2.680 Standards und 590 Anforderungen bis ins Detail geregelt“.


Nach einer Studie des Deutschen Bauernverbandes verbrauchen alle Landwirte ¼ ihrer Arbeitszeit für Aufzeichnungs- und Berichtspflichten einschließlich Büroarbeit. Das verursacht ein Kostenaufwand von 0,8 – 1 Mrd. € jährlich. Ich frage mich, wo bleibt da eigentlich der Spaß am Beruf? Trefflich traf ein mit 2 Ziegelsteine um den Hals und mehreren Büroordnern beladener gut ausgebildeter moderner Landwirt das derzeitige Bild eines Landwirtes. Der eine Ziegelsteinsteht für eine Cross-Compliance-Sanktion, der andere für eine Sanktion aus dem Fachrecht. Eigentlich ist nach dem Deutschen Grundgesetz eine Doppelbestrafung nicht möglich. Nur in der Landwirtschaft scheint es – so will es die EU - Ausnahmen zu geben.


Kein Wunder, dass die Landwirte nur eines wollen: „Wir fordern sichtbare Erleichterungen ein!“ sagte Elmar Konrad, Kreisgeschäftsführer des Bauernverbandes. Und da stimme ich ihm – kopfschüttelnd und bestürzt über diesen Bürokratie-Wahn vorbehaltlos zu!


Jetzt kann ich endlich auch meine drei Landwirtschaftskollegin und –kollegen in der Fraktion verstehen. Da heißt es bei solch einem Vorschriften-Wahn wirklich den Bauern den Rücken zu stärken, um Qualität und Wertschöpfung in der Region zu halten. Schließlich stellen eine gute Infrastruktur sowie eine gute Land- und Forstwirtschaft die Grundvoraussetzungen für einen lebensfähigen und lebenswerten ländlichen Raum dar. Landwirtschaft stellt nicht nur die Versorgung der Bevölkerung mit hochwertigen Nahrungsmitteln sicher, sondern erfüllt vielmehr unersetzbare wirtschaftliche, soziale und umweltbezogene Funktionen.


Deshalb ist es auch von uns FREIEN WÄHLERN das klare Ziel eine flächendeckende und bäuerlich strukturierte Landwirtschaft zu erhalten und zu stärken. Und in einem sollten wir Verbraucher uns im Klaren sein, hochwertige Lebensmittelprodukte erfordern auch einen fairen Preis. Deshalb müssen für die Landwirte Planungssicherheit geschaffen und Perspektiven für die bäuerliche Landwirtschaft in ihren vielfältigen Strukturen erarbeitet werden. Und um die Wertschöpfung in der Region zu halten und zu verbessern ist der Absatz heimischer Qualitätsprodukte zu fördern. Auch daran sollten wir Verbraucher uns immer mal wieder erinnern.



15 Juni 2012

Mehr Ehrlichkeit in der Inklusions-Debatte – Vielfalt ist bereichernd

Endlich traut sich auch einmal ein Bildungsforscher in der Inklusions-Debatte Klartext zu reden. "Ich glaube nicht, dass der inklusive Weg immer der richtige ist", sagte Prof. Dr. Bernd Ahrbeck vom Institut für Rehabilitationswissenschaft der Humboldt Universität zu Berlin kürzlich und da stimme ich ihm aus voller Überzeugung zu: Inklusion JA, aber nur dort, wo es Sinn macht! Schon mehrfach habe ich an dieser Stelle davon gesprochen, dass die Inklusion Grenzen hat, das kann ich aus eigener Erfahrung aus meiner langjährigen Berufspraxis an der Dr. Karl-Kroiß-Schule für Hörgeschädigte berichten.


Und als unsere Fraktion dieser Tage mit den Vertretern des Bayerischen Gemeindetages zu einem Parlamentarischen Abend zusammen kamen und dessen Präsident Dr. Uwe Brandl „ein Stück mehr Ehrlichkeit in der Bildungs-Diskussion“ forderte, habe ich ihm spontan recht gegeben. Über viele Jahrzehnte  haben wir ein hochspezialisiertes Förderschulangebot in Bayern aufgebaut, das hinsichtlich seiner Förderung für jedes förderbedürftige Kind ein Segen ist. Und wer dies wirklich objektiv betrachtet, der stimmt mir in dieser Bewertung zu.


Zweifelsfrei ist der Zugewinn durch die Inklusion, den Eltern das Wahlrecht für den Schulbesuch ihres Kindes zu übertragen, ein längst überfälligeAlternative, aber nicht grundsätzlich die allein glücklich machende. Eltern werten selten objektiv, sondern viel mehr emotional. Insofern habe ich es zu meiner „Lehrerzeit“ sehr oft erlebt, dass Eltern zunächst einmal den Förderschulbesuch ihres Kindes kritisch beäugten, aber nach einer gewissen Zeit merkten, dass die besondere Förderung an dieser Schulart ihrem Kind gut bekommt.


Deswegen bin ich mir sicher, dass wir auch in Zukunft bei aller Sympathie für den Inklusionsgedanken die Förderschulen brauchen. Es kann gut sein, dass wir weniger brauchen als wir derzeit haben. Die Inklusionsquote, die derzeit bei rund 10 Prozent liegt, wird hier den Weg weisen. Aber nicht immer und für jedes Kind ist die inklusive Schule der ideale Ort. Der ist vielmehr da, wo die optimale Förderung für das Kind vorhanden ist und bei den derzeit begrenzten Ressourcen, die die Staatsregierung bereit ist gerade für die Einzelinklusion an der Regelschule zur Verfügung zu stellen, ist dieWahlmöglichkeit gut zu hinterfragen. Eine Klasse mit 25 Kindern und 3 bis 5 Inklusionskindern ist keine wirkliche Alternative. Hier fordern wir von der Staatsregierung zumindest eine Klassenobergrenze von 20 Kindern bei bis zu fünf Inklusionskindern.




Es ist Zeit, für den inklusiven Weg. "Luca Jager" / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nd) http://creativecommons.org/licenses/by-nd/3.0/deed.de


Im Übrigen kennen auch die Länder, die sehr viel Integrationserfahrung haben, kein System mit einer kompletten Inklusion. Auch ein Land wie Finnland hat klassische Sonderschulen für rund ein Prozent aller Schüler und zusätzlich besuchen dort rund drei Prozent der Kinder Sonderklassen. Offensichtlich ist anderswo auf der Welt die Erkenntnis, dass der Inklusion Grenzen gesetzt sind, schon weiter fortgeschritten. Allerdings gibt es zwischen Finnland und Deutschland auch einen elementaren Unterschied: 40 Prozent der Schulen in Finnland haben weniger als 50 Schüler und 60 Prozent haben weniger als sieben Lehrer. Insofern ist schon aus historischen und geografischen Gegebenheiten in Finnland so etwas wie ein klassisches Sonderschulsystem überhaupt nicht denkbar. Die großen Schuleinheiten, die wir hier haben, sind in Finnland gänzlich unbekannt. Im Mittelpunkt steht dort die Dorfschule, die Gemeinschaftsschule, so wie in Schweden. Im Mittelpunkt der deutschen Bildungstradition steht das Gymnasium.


Die grundlegende Frage ist doch: Was ist das Ziel von Schule, was ist das Ziel von Inklusion? Die Überzeugung, dass das Gemeinsame ein hoher Wert ist, teile ich. Aber das kann nicht das einzige Kriterium sein. Es geht in der Schule auch um die Entwicklung von Leistung und darum, Kinder angemessen auf das Leben vorzubereiten. Insofern ist zum Beispiel die Frage nicht unerheblich, wie viele Kinder, die als lernbehindert gelten, überhaupt zum Hauptschulabschluss kommen. Diese Frage muss man an beide Systeme stellen - an die Inklusion wie an die spezielle Beschulung. Die Erfolge der Sonderschulen sind auf diesem Gebiet nicht überwältigend. 25 bis 30 Prozent der Schüler erreichen einen Hauptschulabschluss. Wir wissen nicht, ob diese Zahl in der Inklusion wirklich höher sein wird.


Der Hamburger Schulversuch in den 1990er Jahren, ein klassischer Inklusionsversuch, bei dem u. a. die sonderpädagogische Förderkategorie im Bereich Lernen abgeschafft wurde, hat keine besonders ermutigenden Ergebnisse hervorgebracht. Die leistungsschwächeren Schüler sind die leistungsschwächeren geblieben. Das durchschnittliche Leistungsniveau der Klassen war auffallend gering, die Sonderschulüberweisungsquoten hatten sich nach vier Grundschuljahren keinesfalls reduziert.


Auch wenn insgesamt einiges dafür spricht, Lernbehindertenschulen nicht im bisherigen Ausmaß beizubehalten, so stellt sich dennoch die Frage, ob man für bestimmte Kinder weiterhin spezielle Schulangebote bereithalten sollte. Für Kinder nämlich, die in inklusiven Klassen nicht gut zurechtkommen. Besonders sensible Kinder, solche die sich leicht gemobbt fühlen, oder Kinder, die einen stabilen, vertrauten Rahmen brauchen, kommen oft in kleinen überschaubaren Gruppen mit engeren, intensiveren Bindungen besser zurecht.


Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass selbst die Eltern unterschiedlicher Auffassung sind. Es gibt Elterninitiativen für den Erhalt der Lernbehindertenschulen. Es gibt Elterninitiativen für mehr Inklusion. Eltern sind sehr auf pädagogischen Sachverstand angewiesen und auf fachlich kompetente Beratung, die möglichst unideologisch erfolgen sollte. Dabei mag für das eine Kind der eine Weg besser sein als der andere. Ich glaube nicht, dass grundsätzlich immer, zu allen Zeiten und bei jedem Kind der inklusive Weg der richtige ist. Und ich bin ebenso davon überzeugt, dass man nicht prinzipiell auf institutionelle Differenzierungen verzichten sollte.


Deshalb muss es den inklusiven Weg geben. Es ist zweifelsfrei ein großer Fortschritt, wenn Kinder ein Recht darauf haben, gemeinsam beschult zu werden. Gleichwohl macht eine gemeinsame Beschulung für ein Kind, das eine Behinderung aufweist, doch nur dann einen Sinn, wenn ihm diese Beschulungsform persönlich dienlich ist; wenn sie ihm hilft, in der Schule und im späteren Leben besser zu Recht zu kommen. Insofern müssen unterschiedliche Wege offen gehalten werden. Von einer radikalen institutionellen Entdifferenzierung halte ich wenig. So sind Kinder mit massiven Verhaltensstörungen oft nur sehr schwer zu integrieren. Es gibt weltweit kein tragfähiges Modell, in dem eine totale Inklusion für diese Personengruppe funktioniert.


Ein gutes Schulsystem ist eines, das Kindern und Jugendlichen mit Behinderung den bestmöglichen Weg ins Leben weist, das dazu führt, dass sie optimale Entwicklungsmöglichkeiten erhalten, um mit sich selbst und in der Gesellschaft zurechtkommen. Dabei spielt auch der Leistungsgesichtspunkt eine wichtige Rolle. Bei Schülern mit einer Lernbehinderung muss es ein starkes Bemühen darum geben, so viele Schüler wie irgend möglich zum Hauptschulabschluss zu bringen. Weil das eine entscheidende Voraussetzung dafür ist, dass sich ihre Zukunftsperspektiven verbessern. Nach der Schule stellt das Leben an alle Menschen die gleichen Fragen: Kannst du lesen, schreiben, rechnen und kannst du dich adäquat benehmen? Die Relativierung pädagogischer Ziele im Sinne von Beliebigkeit und bunter Vielfalt steht häufig in einem krassen Widerspruch zu den Anforderungen des Erwachsenlebens. Schließlich soll die Schule Kinder auf das Erwachsenenleben vorbereiten.


Insofern sind mir manche Beiträge zur Inklusionsdiskussion ein bisschen zu schlicht. Ich glaube, dass der unbedingte Gemeinsamkeitswille ein Ziel ist, über das man noch einmal nachdenken sollte. Ist immer für alle Menschen das Gleiche gut genug? Inklusion im Sinne einer guten Förderung behinderter Kinder kann nur funktionieren, wenn wir hochgradig qualifizierte Spezialisten haben und wenn wir anerkennen, dass Menschen besonders sind und Besonderes brauchen. Die Abschaffung der sonderpädagogischen Förderkategorien, ihre Nivellierung zugunsten einer diffusen allgemeinen Entwicklungsförderung ist dazu kein guter Ratgeber. Eine große Gefahr ist, dass man behinderte Menschen in ihren Entwicklungsnotwendigkeiten übersieht, weil es allzu große Hemmungen gibt, ihre Schwierigkeiten als solche anzuerkennen und begrifflich zu fassen. Die Angst vor Etikettierungen ist manchmal schon ein wenig bedenklich.


Zu einer offenen Auseinandersetzung über die Inklusion muss es aber gehören, dass man über diese Bedenken frei sprechen kann. Ich habe den Eindruck, dass das gegenwärtig ziemlich schwierig ist. Im öffentlichen wie im fachlichen Diskurs wird leider sehr häufig projiziert und gespalten und diejenigen, die nicht im Mainstream mitschwimmen, werden dadurch in eine krasse Außenseiterposition gebracht. Der Satz "Vielfalt ist bereichernd" sollte auch hier gelten. Ihn auszusprechen ist offensichtlich leichter, als ihn ins Leben zu integrieren.



15 Juni 2012

Ganztagsschule in Bayern braucht endlich schlüssiges Konzept und ein Ende der Betreuungslücken

Eltern haben die Qual der Wahl: Gebundene Ganztagsschule, offene Ganztagsschule, Schule mit Mittagsbetreuung, Schulen mit verlängerter Mittagsbetreuung und um den Wirrwarr an Betreuungsangeboten in Bayern ganz zu machen, gibt es auch noch Horte. Dieser bunte Strauß an Betreuungsangeboten im Freistaat verursacht enorme Kosten, führt für den Laien zu erheblichem Durcheinander und dazu, dass die Ganztagsschulbetreuung in Bayern unter ihren Möglichkeiten bleibt.



Das ist die bittere Wahrheit, denn die Betreuungsangebote sind allenfalls halbherzig und vor allem ohne ein wirkliches Gesamtkonzept. Dies haben wir FREIE WÄHLER diese Woche im Plenum einmal mehr eingefordert.



Vor allem ein Konzept, das nicht nur an vier Tagen in der Woche, sondern auch freitags greift und vor allem auch die Ferienzeit mit einbezieht. Denn was nützen alle Sonntagsreden des Kultusministers und schön aufgepäppelte Pressemitteilungen, die zwar verkünden dass der Freistaat die Ganztagsangebote konsequent und bedarfsgerecht ausbaut, aber die Konsequenz in Form eines nachvollziehbaren Konzeptes vermissen lassen.



Was wir brauchen, das sind Qualitätskriterien für den Ausbau von Ganztagsangeboten. Wir brauchen nicht nur mehr, sondern auch gut ausgestattete Ganztagsschulen in Bayern. Deshalb ist die neueste Erhebung der Bertelsmann Stiftung zum Ausbau von Ganztagschulen als eine Ohrfeige für die verfehlte Bildungspolitik in Bayern zu werten und der letzte Platz im bundesweiten Ranking keine Überraschung, sondern ein Armutszeugnis. Nur jeder zehnte Schüler in Bayern nutzt ein Ganztagsangebot, während im Bundesdurchschnitt dies rund 28 Prozent annehmen.





Kein schlüssiges Konzept verursacht nicht nur enorme Kosten, sondern ist auch eine Belastung für die Schüler. "givany hecht" / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc) http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/deed.de




Nirgendwo in Deutschland werden anteilig weniger Kinder ganztägig unterrichtet als in Bayern. Und das, obwohl inzwischen mehr als 45 Prozent aller bayerischen Schulen Ganztagsangebote machen. Aber genau darin liegt der Hase im Pfeffer und das offenkundige Auseinanderklaffen der Staatsregierungszahlen und der Realität begründet. Während die Staatsregierung in ihren Statistiken stets die Anzahl der Schulen, an denen Ganztagsbetreuungsangebote durchgeführt werden, auflistet, sind es aber in Wirklichkeit stets nur einzelne Klassenzüge an den Schulen. Deshalb gibt die Zahl der tatsächlich ganztags betreuten Schülern die REALITÄT wieder.



Bei alledem ist die Frage des Warum erlaubt? Ich bin überzeugt, es liegt zu einem wesentlichen, großen Teil daran, dass die bestehenden Betreuungsangebote bei weitem nicht so attraktiv und bedarfsorientiert sind wie sie sein müssten. So mangelt es vor allem an Grundschulen im ländlichen Bereichen an Akzeptanz, weil dort flexiblere Betreuungszeiten an einigen Tagen in der Woche dafür sorgen würden, dass die Eltern eher bereit wären ihre Kinder dorthin zu schicken. Einen entsprechenden Antrag haben wir FREIE WÄHLER in einem Antragspaket nun eingereicht, weil wir aus der Erfahrung und Gesprächen mit Lehrern, Eltern und Kommunalpolitikern an vielen Stellen Nachbesserungsbedarf sehen.


Bemerkenswert einfallslos im Übrigen der Hinweis von Kultusminister Spaenle auf unseren Dringlichkeitsantrag, dass man um Kinder auch freitags Nachmittag und in den Ferien betreut zu haben, auf die neue Öffnungsklausel im BayKiBiG, wonach Schulkinder auch in die den Kindertagesstätten oftmals angegliederten offenen Hortbetreuungen könnten. Doch was ist, wenn diese in den Ferien geschlossen haben? Oh, oh, lieber Kultusminister, solch ein Hinweis tut einfach nur weh und zeigt die Konzeptlosigkeit der Staatsregierung in diesem Bereich.


Hochinteressant war in diesem Zusammenhang in dieser Woche mein Besuch bei der Tagesheimschule in München an der Hochstraße. Dort werden Schüler seit 1963 in einem Modellprojekt in der Grund-und Mittelschule von einem Dreier-Team aus einem Lehrer und zwei Erziehern pro Klasse unterrichtet. Lehrer und Erzieher arbeiten Hand in Hand, die Schule hat pädagogische Kernzeiten von 7.45 bis 16.30 Uhr und von 7.00 bis 18.00 Uhr geöffnet, einfach spitze! Kein Schüler verlässt die Schule ohne Schulabschluss. Hier kann man von einem Leuchtturm unter Bayerns Schulen mit einem großartigen Konzept sprechen. Im Übrigen gibt es jede Woche Konferenzen der Lehrkräfte und eine Ferienbetreuung findet ganz selbstverständlich auch statt. Vielleicht sollte der Kultusminister einfach einmal an der Hochstraße vorbei schauen damit er weiß, was es in Bayern Ganztagsschul-Politik noch zu verbessern gilt.


Mit unserem Antrag fordern wir FREIE WÄHLER die Staatsregierung, endlich ein schlüssiges Konzept für eine wirklich durchgehende Betreuung der Schulkinder zu erstellen und damit die Betreuungslücken an Freitagnachmittagen und in den Ferien zu schließen. Schließlich zwingen uns die Anforderungen der heutigen flexiblen und mobilen Arbeitswelt und eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu erreichen über unsere bisherigen schulischen und sozialpädagogischen Konzepte vollkommen neu nachzudenken. Und hierzu steht die Staatsregierung in besonderer Verantwortung. So kommt die BERTELSMANN-Studie nicht unverhofft zu der Erkenntnis, dass die Ganztagsschulpolitik in Bayern bei all den unterschiedlichen Organisationsformen des Schulalltags „eine Reise in die Zukunft ohne klares Ziel“ sei.



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