Ministerpräsident Markus Söder hat in einem Interview im vergangenen April die Absicht geäußert, Flüchtlings- und Migrantenkinder künftig zunächst in separaten Klassen inklusive Werteunterricht beschulen zu wollen. Die kritischen Reaktionen auf diesen Vorschlag reichten vom Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) über den Bayerischen Elternverband bis zu den Integrationspolitischen Sprechern verschiedener Parteien. Mit einigen Wochen Abstand ergab eine Umfrage im Auftrag von Sat.1 Bayern nun, dass 61 Prozent der Befragten Söders Vorstellungen begrüßen, während 35 Prozent diese ablehnen. Selbstverständlich ist es vollkommen legitim, diese oder jene Meinung zu vertreten. Ich sehe bei diesem Thema aber noch einigen Diskussionsbedarf. Mit diesem Blog möchte ich meinen Beitrag zu einer solchen Debatte leisten und darlegen, warum ich die Idee des Ministerpräsidenten von der separaten Beschulung von Kindern und Jugendlichen aus Zuwandererfamilien nicht für sinnvoll erachte.
Wir müssen uns zunächst einmal fragen, welche Zielsetzung wir unserem bildungspolitischen Handeln im Kontext der Beschulung von Flüchtlingskindern zugrunde legen wollen. Ich bin der Ansicht, dass hier zu allererst die Integration dieser Kinder im Mittelpunkt steht – sicherlich sieht das auch der Bayerische Ministerpräsident ähnlich. Auf welchem Wege wir dieses Ziel erreichen können? In dieser Frage gehen die Meinungen aus der Staatskanzlei und die meine bereits auseinander.
Integration via Separation erreichen zu wollen, ist für mich ein Widerspruch in sich. Was bringt all der Werte- und Sprachunterricht in hermetischen „Flüchtlingsklassen“, wenn die sozialen Kontakte zur gesellschaftlichen Umwelt zunächst unterbunden oder zumindest erschwert werden? Eben jener sozialer Umgang mit gleichaltrigen Kindern, die bereits in Deutschland sozialisiert wurden, stellt schließlich ein wichtiges Momentum bei der Förderung von Integration dar. Ich möchte an dieser Stelle an all die Talkshow-Debatten der letzten Jahre erinnern, indem immer wieder die Bildung sogenannter Parallelgesellschaften beklagt wurde. Eine separate Beschulung verschiedener Milieus könnte aber genau dies oder ähnliches weiter fördern.
Ich halte es daher viel mehr für angebracht, den bereits eingeschlagenen Weg fortzuführen beziehungsweise zu intensivieren: Regelbeschulung der Flüchtlingskinder im Rahmen der „normalen“ Schulklassen ergänzt durch adäquate Förderangebote zum Erlernen der deutschen Sprache sowie zur Verinnerlichung demokratischer, freiheitlicher Werte. Nur ein solcher Dualismus wird meiner Ansicht nach auf Dauer auch erfolgreiche Integration befördern. In der Schule erlernte sprachliche und ethisch-soziale Kompetenzen können sich so im Schulalltag und in den außerschulischen sozialen Beziehungen einspielen und verfestigen. Im Übrigen sollten wir an dieser Stelle auch die Sportvereine und andere zivilgesellschaftliche Akteure bei ihrer alltäglichen Arbeit an der Integration weiter und stärker unterstützen. Auch sie spielen nämlich eine wichtige Rolle bei der Verinnerlichung verschiedenster Kompetenzen. Im Übrigen können auch die deutschen Schüler hinsichtlich ihrer sozialen Kompetenz et cetera von der täglichen Begegnung mit den Flüchtlingen profitieren. Was tut das Kind einer Flüchtlingsfamilie den Schülern in Bayern böses? Nichts.
Was wir definitiv nicht brauchen, ist eine Zweiklassengesellschaft, in der wir Flüchtlinge und deren Kinder zunächst hermetisch vom Rest der Bevölkerung abschirmen. Wer denkt, dass wir so erfolgreich Integration fördern können, befindet sich meines Erachtens nach auf dem Holzweg – auch wenn er Bayerischer Ministerpräsident ist.
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