Tagesmütter in Unterfranken – Von Angebot und Nachfrage

13 Juli 2011

Tagesmütter in Unterfranken – Von Angebot und Nachfrage

Nach Einschätzung der Stadt Würzburg fehlen zum jetzigen Zeitpunkt in jedem Stadtteil ein bis zwei Tagespflegestellen, um dem Bedarf an Betreuungsangeboten für unter dreijährige Kinder gerecht zu werden, das erfuhr ich jüngst auf Nachfrage beim Bayerischen Familienministerium. Ähnlich sieht es auch im Landkreis Bad Kissingen aus, hier gäbe es einen Bedarf an zehn weiteren so genannten „qualifizierten Tagesmüttern“. Seit dem Inkrafttreten des Bayerischen Kinderbildungs- und Förderungsgesetzes 2005 werden Tagesmütter nämlich unter bestimmten Voraussetzungen vom Jugendamt vermittelt und dann auch staatlich gefördert.

Ginge es nach der Bundesregierung, würde bis 2013 ein Anteil von 30 Prozent der zur Verfügung gestellten Plätze durch die Tagespflege abgedeckt werden. Ich wollte deshalb einmal wissen, wie es eigentlich im Regierungsbezirk Unterfranken um die Versorgung mit Tagesmüttern bestellt ist. Schließlich ist die Kindertagespflege ist ein wichtiger Baustein in der Betreuungslandschaft, sie ist flexibel, familiennah und deshalb besonders geeignet für Kinder unter drei Jahren. Man sollte deshalb eigentlich davon ausgehen können, dass die Nachfrage hier seitens der Eltern besonders groß ist.

Ein Blick auf die aktuellen Zahlen für Unterfranken zeigt jedoch, dass die Inanspruchnahme der Kindertagespflege noch weit hinter den Erwartungen zurücksteht. Die höchsten Betreuungsquoten weisen der Landkreis Bad Kissingen und die Stadt Würzburg mit durchschnittlich ca. 15 Prozent an Tagespflegeplätzen auf. Im Landkreis Haßberge sind es 12 Prozent, im Landkreis Main-Spessart noch 5 Prozent, Rhön-Grabfeld kann 3 Prozent vorweisen und das Schlusslicht bildet der Landkreis Kitzingen, wo überhaupt nur 2,5 Prozent der Kinder von Tagespflegepersonen betreut werden. Auch wenn die von der Bundesregierung angestrebte Betreuungsquote im Moment noch in weiter Ferne steht, überrascht es mich doch sehr, dass weite Teile Unterfrankens bei der Kindertagespflege so deutlich unter dem bundesdeutschen Durchschnitt von 14,5 Prozent liegen. Eigentlich ist das paradox, denn während im Stadtgebiet Würzburg und im Landkreis Bad Kissingen händeringend nach weiteren Tagesmüttern gesucht wird, wären in anderen Teilen Unterfrankens genügend Plätze vorhanden, die Eltern aber nehmen diese Art der Kinderbetreuung gar nicht an. Woran kann das liegen? Wird womöglich die Tagespflege von den Eltern noch nicht als gleichwertiges Angebot zu Kinderkrippen und Kindertagesstätten wahrgenommen?

Für die Tätigkeit in einer Kindertageseinrichtung ist eine pädagogische Qualifikation entsprechend einem Fachakademieabschluss notwendig, das entspricht einer zwei- bis fünfjährige Ausbildung. Im Vergleich dazu sind die Voraussetzungen, die eine Tagesmutter erfüllen muss, geradezu minimal: Laut Sozialgesetzbuch muss sie sich „durch ihre Persönlichkeit, Sachkompetenz und Kooperationsbereitschaft mit den Erziehungsberechtigten und anderen Tagespflegepersonen auszeichnen“. Entsprechende Kenntnisse werden in der Regel in speziellen Kursen erworben, hier muss ein Mindestqualifizierungsumfang von 60 Stunden nachgewiesen werden. Ob eine Person für die Tagespflege geeignet ist, wird vom zuständigen Jugendamt festgestellt. Dabei gibt es keine gesetzlich definierten Ausschlusskriterien, sondern lediglich Empfehlungen, aus welchen Gründen eine Pflegeerlaubnis versagt werden kann.

Was Eltern sich wünschen: Das ihre Kinder tagsüber kompetent und nett betreut werden. Foto: Dirk Schroeder/ PIXELIO



In den Augen der Staatsregierung führt die Gegenüberstellung der Qualifikation von Tagesmüttern und Erzieherinnen nicht zu einer objektiven Beurteilung. Es handle sich vielmehr um grundsätzlich unterschiedliche Angebote, mit jeweils eigenen Vor- und Nachteilen. Ich  persönlich finde diese Argumentation zumindest fraglich. Denn wenn die Qualitätssicherung schon nicht über die Qualifizierung der betreuenden Personen erfolgen kann, wäre meines Erachtens ein standardisiertes Kontrollsystem notwendig, um eine sichere und qualitativ hochwertige Betreuung zu gewährleisten. Es geht hier schließlich um die Betreuung von Kleinkindern, die in der Regel noch nicht selbst in der Lage sind, über die Verhältnisse bei den Tagesmüttern zu berichten.

Eine gesetzlich festgelegte Dokumentationspflicht seitens der Tagesmütter fehlt jedoch bisher – Kontrolle erfolgt lediglich durch das zuständige Jugendamt. Über die Häufigkeit der Überprüfungen entscheidet das Jugendamt selbst, auch hier gibt es keine gesetzlichen Vorgaben, empfohlen werden ein bis zweijährliche Kontrollbesuche. Meine Nachfrage beim Familienministerium bezüglich der Häufigkeit solcher flächendeckenden unangekündigten Kontrollen ergab, dass es größtenteils nicht einmal Aufzeichnungen darüber gibt. In Unterfranken haben von den elf Landkreisen überhaupt nur vier ihre Kontrollbesuche dokumentiert. Das allein löst bei mir schon Kopfschütteln aus. Wie kann man an dieser Stelle so nachlässig sein? Alarmierend sind in meinen Augen dann erst recht die vorliegenden Daten: Bei den 56 im Stadtgebiet Würzburg staatlich geförderten Tagesmüttern wurden in den letzten vier Jahren insgesamt lediglich 64 Kontrollen ohne vorherige Anmeldung durchgeführt. Eine Tagesmutter wurde also im Schnitt etwa alle drei Jahre einmal unangekündigt von einem Mitarbeiter des Jugendamtes besucht. Wenn man davon ausgeht, dass ein Kind im Schnitt vielleicht zwei Jahre bei einer Tagesmutter untergebracht ist, kann es also vorkommen, dass in der gesamten Zeit, die es dort verbringt, nicht einmal überprüft wird, wie es um die Qualität der Betreuung bestellt ist. Das ist in meinen Augen fahrlässig!

In dem Fall, dass bei einer Tagesmutter tatsächlich Mängel nachgewiesen werden, wie etwa der Verstoß gegen den Kinderschutz, mangelnde Hygiene oder entwürdigende Erziehungsmaßnahmen, führen diese in der Regel zu einer Abmahnung, die Tagespflegeperson bekommt die Möglichkeit der Anhörung, es wird auf Reflexion gesetzt. Die Betreuungssituation beeinflusst dies jedoch nicht, die Eltern werden – haben sie das Jugendamt nicht selbst auf die Missstände hingewiesen – über diesen Prozess nicht einmal informiert. Letztlich können sich Eltern also nicht immer sicher sein, dass eine Tagesmutter zu jedem Zeitpunkt den qualitativen Ansprüchen gerecht wird, sie müssen sich vielmehr auf ihre Intuition verlassen. Solange aber vielerorts noch händeringend nach Tagesmüttern gesucht wird, ist es doch naheliegend, dass in Sachen Qualität der Betreuung auch Abstriche gemacht werden. Resümierend würde ich sagen, dass die Eltern vom Staat doch ziemlich alleine gelassen mit der Entscheidung, ob ihr Kind in der Tagespflege gut untergebracht ist. Und das sollte sich schleunigst ändern!

Meine Anfragen und die Antworten der Bayerischen Staatsregierung können sie im Original einmal hier und dann auch noch einmal hier nachlesen.

Ohne weitere Worte. Foto: Franz Mairinger/ PIXELIO



 

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