Zeit für Menschen – Zeit für die Inklusion

21 Dezember 2010

Zeit für Menschen – Zeit für die Inklusion

Mit gemischten Gefühlen verlasse ich jedes Mal dieses Wohnheim der Lebenshilfe in meiner Heimatstadt. Als ich im Frühjahr im Rahmen der Aktion „Rollentausch“ erstmals mit den Bewohnern und Angestellten näher in Kontakt gekommen bin, weiß ich zu schätzen, was es heißt, jeden Tag aufstehen zu können, zur Arbeit gehen zu können und gesund zu sein. Nun, eine Behinderung sucht sich Niemand aus und das Leid, das damit für den oder die Betroffene/n sowie die Angehörigen verbunden ist, lässt sich nur schwer erahnen. Umso mehr bin ich heute froh und glücklich, mein damaliges Versprechen, zur Weihnachtsfeier wieder zu kommen, (fast) eingehalten habe. Jetzt war es zwar nicht die Weihnachtsfeier, sondern einfach nur ein vorweihnachtlicher Besuch, aber wie die verschiedenen Bewohnerinnen und Bewohner meinen unerwarteten Besuch aufgenommen haben, war schon toll.

Redeseelig die Einen, etwas zurückhaltend die Anderen, aus der eingeplanten Stunde wurden in Nullkommanichts zweieinhalb Stunden. Eine Zeit, die ich trotz anderer Verpflichtungen nicht bereue, denn es war einmal mehr ein prägendes Erlebnis. Wenn man hört, welch tolle Tipps mir ein Bewohner gibt, der einmal Zahntechniker gelernt hat und durch einen tragischen Unfall zum Bewohner des Lebenshilfe-Wohnheims geworden ist, muss man schon mit einem Kloß im Hals kämpfen. Haargenau konnte er mir den Unterschied zwischen dem Keramik- und dem Goldzahnersatz erklären und war ganz besorgt darum, dass ich bei einer irgendwann notwendigen Wahl ja nicht aufs Geld schauen soll, sondern die teurere und funktionsfähigere Keramik auswähle.

Oder ein anderer Bewohner, der höflich fragend auf mich zu kam, ob er mich mal sprechen könne und sich dann bei mir darüber beschwerte, dass Behinderte schlecht bezahlt werden würden. Ja, was antwortet man darauf? Ich hatte keine Antwort parat, aber habe darüber nachgedacht! Und ich habe sofort an das Thema Inklusion denken müssen: gleichberechtigte Teilhabe für Behinderte am gesellschaftlichen Leben! Da gibt es wirklich noch viel zu tun in unserer angeblich so toleranten Gesellschaft.

Traurig und nachdenklich zugleich stimmt mich auch die Tatsache, wie leidvoll das Leben besonders für ältere Behinderte werden kann. Wenn ich mir den früher fest auf zwei Beinen stehenden K. anschaue, wie er jetzt nur noch das Bett hütet, dann erschüttert mich dieses Schicksal zutiefst!

Trotzdem, eine tolle Truppe, diese Bewohner des Lebenshilfe-Wohnheimes! Sie haben mir für die nächsten Tage und Weihnachten viel mehr Kraft und Energie mitgegeben als es ein Berg von Geschenken jemals könnte. Und Zeit darüber nachzudenken, was wirklich wichtig ist im Leben: manchmal ein bisschen Zeit für die Menschen in der Gesellschaft aufzubringen, die sonst nicht im Mittelpunkt stehen.

Beim Frühstsück mit einem Bewohner des Lebenshilfe Wohnheims, in dem ich für einen Tag selbst die Betreuung und Pflege der Bewohner, im Rahmen der Aktion Rollentausch übernommen hatte.

Beim Frühstsück mit einem Bewohner des Lebenshilfe Wohnheims, in dem ich für einen Tag selbst die Betreuung und Pflege der Bewohner, im Rahmen der Aktion Rollentausch übernommen hatte.





 

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen