Was tun mit der steigenden Zahl von Pippis an Bayerns Schulen?

6 Dezember 2015

Was tun mit der steigenden Zahl von Pippis an Bayerns Schulen?

Gehört Pippi Langstrumpf in die "Klapse"? Dieser zweifelsohne fiktiven wie visionären Fragestellung widmete sich der Bildungsausschuss des Bayerischen Landtages in dieser Woche mehr oder minder intensiv. Bei einer Anhörung über die optimalen Bildungsbedingungen für Schülerinnen und Schüler mit sogenanntem sozial-emotionalem Förderbedarf brachte dieses eigentlich aufheiternd von einer Kollegin ins Spiel gebrachte Beispiel in Zusammenhang mit der Fragestellung, ob nicht auch die Gesellschaft heutzutage mit sehr hoch angesetzten Maßstäben und Diagnosekriterien förderbedürftige Kinder und Jugendliche en masse generiere, die versammelte Expertenschar aus Professoren, Schulleitern, Psychologen und Jugendhilfe-Vertretern sehr zum Nachdenken.


„Ich würde sagen, Pippi Langstrumpf wäre heute tatsächlich ein Fall für die Psychiatrie!“, so antwortete Professor Franz Joseph Freisleder, der Ärztliche Direktor des kbo-Heckscher-Klinikum, einer Spezialeinrichtung für Kinder- und Jugendpsychiatrie in München, unumwunden und relativierte sogleich, „aber nur für die ambulante Behandlung“.




Ruth Rudolph  / pixelio.de

Ruth Rudolph / pixelio.de


Die deutliche Zunahme von 'Pippis' in den vergangenen 14 Jahren bei einer Verdoppelung der förderungsbedürftigen Kinder und Jugendlichen mit Verhaltensauffälligkeiten hatte den Bildungsausschuss zu dieser hochinteressanten Expertenanhörung veranlasst. Im Gegenzug spricht schließlich Jeder von Inklusion, also der gemeinsamen Beschulung behinderter und nichtbehinderter Schüler/innen. Wissen muss man auch, dass rund 52 Prozent der sozial-emotional auffälligen Schüler bereits im Regelschulsystem inklusiv beschult werden.


Welche Bedingungen brauchen also diese Kinder, um optimal an unseren Bildungs- und Erziehungseinrichtungen gefördert zu werden? Darauf gab es von der versammelten Expertenschar recht eindeutige Antworten. Das oftmalige Nebeneinander vom System Schule einerseits und den Maßnahmen der Jugendhilfe sowie kinder-und jugendpsychiatrische Kompetenzen andererseits müssen dringend besser vernetzt werden und im Optimalfall von einer koordinierenden Stelle, etwa einem 'Fall-Manager' geführt und geleitet werden. Hinzugezogen werden müssen des Weiteren Heilpädagogen und zwar sowohl in den sonderpädagogischen Förderzentren, als auch in den Regelschulen. Auch den Schulbegleiter als bisherigen persönlichen Begleiter halten die Experten für überbracht. Bessere Dienste würde hier ein Pädagogischer Assistent, der wesentlich effizienter mit in den Unterrichtsbetrieb einbezogen werden könnte, leisten.


Es muss also an wesentlichen Stellschrauben gedreht werden – das geht bin hin zu der Forderung nach einem Lehrer-Tandem in besonderen Extremfällen. Angesichts der Vielzahl der vorhandenen Fördermaßnahmen muss hier dringend angesetzt werden, um mehr Effizienz zum Wohle der Schülerinnen und Schüler zu erreichen.


Ich bin mir sicher, dass sich die Beschulung solcher förderbedürftiger Kinder gravierend verändern muss, wollen wir nicht weiter steigende Fallzahlen. So wurde klar artikuliert, dass im jungen Alter von 3 bis 6 Jahren hier bereits in der frühkindlichen Bildung angesetzt werden muss. Auch darf es kein Tabu sein, dass kinder-und jugendpsychiatrische Kompetenz zum Wohl der Kinder auch in der Regelschule zum Einsatz kommen. Es braucht also eine massive Unterstützung für allgemeinbildende Schulen, um neben dem Bildungsauftrag auch den Erziehungsauftrag mit zu generieren.


Und auch einen weiteren Punkt hielten die Experten für längst überfällig, den ich im Übrigen genauso sehe: die Tatsache, dass jeder Lehrer eine grundlegende sonderpädagogische Bildung im Rahmen des Studiums absolvieren sollte.


 

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