Von wegen vergleichbar – was sich wirklich hinter gemeinsamen Abiturstandards verbirgt

29 Oktober 2012

Von wegen vergleichbar – was sich wirklich hinter gemeinsamen Abiturstandards verbirgt

Seit Jahren ist das Thema von vergleichbaren Bildungsabschlüssen in Deutschland in aller Munde. Nunmehr haben sich in der vergangenen Woche die Kultusminister auf KMK-Ebene auf den Weg für gemeinsame Abiturstandards gemacht. Doch was steckt wirklich hinter diesen gemeinsamen Standards? Wird also künftig das Abi in Hamburg dem in Bayern gleichzusetzen sein?


Ich ärgere mich in diesem Zusammenhang richtig über die Berichterstattung, wenn von einem Zentralabitur die Rede ist. Das ist es in keinster Weise. Ein Zentralabitur, wie es beispielsweise in Frankreich geschrieben wird, setzt voraus, dass alle Schulen eines Landes am gleichen Tag, zur gleichen Zeit die gleiche Prüfung ablegen. Dies ist in Deutschland schon alleine aufgrund der abweichenden Ferientermine der Bundesländer nicht möglich.




Gerd Altmann/Shapes:AllSilhouettes.com / PIXELIO / pixelio.de




Ein Zentralabitur ist es also nicht, doch was versteckt sich dann hinter der Neugestaltung der Abiturprüfungen? Damit habe ich mich einmal näher beschäftigt: In der Kultusministerkonferenz vom 18. und 19. Oktober in Hamburg haben sich die Kultusminister der Länder auf gemeinsame Abiturstandards ab 2017 geeinigt.


Unser bayerischer Kultusminister Spaenle lobt dies als bedeutenden Schritt für die Mobilität von Familien in Deutschland und die Vergleichbarkeit der Bildungsarbeit und Schulabschlüsse. Das hört sich doch alles ganz gut an! Allerdings wird nur selten konkret erwähnt, was sich an den Abituraufgaben wirklich verändert.


Recherchiert man das einmal auf der Seite der Kultusministerkonferenz muss man lange suchen, bis man die genauen Änderungen findet. Geeinigt haben sich die Damen und Herren in der Plenarsitzung der Kultusministerkonferenz auf folgendes: Bis zum Jahr 2017 werden für die zentralen Fächer Englisch, Mathe und Deutsch von Wissenschaftlern sogenannte „Aufgabenpools“ mit gleich schweren Abituraufgaben  und dazugehörigen einheitlichen Bewertungskriterien erstellt, aus denen die Bundesländer ihre Prüfungsinhalte auswählen können. Doch das bedeutet keineswegs, dass die Abiturprüfungen auch tatsächlich vergleichbar werden!


Für das Deutschabitur in Bayern bedeutet das beispielsweise, dass lediglich eine von fünf zur Verfügung stehenden Aufgaben aus dem für alle Bundesländer verfügbaren Aufgabenpool ist. Jeder Prüfling muss eine dieser fünf möglichen Aufgaben lösen.  Es kann so theoretisch durchaus passieren,  dass niemand die eine Aufgabe wählt, die dem Schwierigkeitsgrad aller Bundesländer entspricht. Wirklich verändern tut sich also nicht viel!




Egon Häbich / PIXELIO / pixelio.de




Auch im Fach Mathematik wird nur ein Sechstel der erreichbaren Bewertungseinheiten im bayerischen Abitur gemeinsam erarbeitet – die übrigen Aufgaben erstellt jedes Bundesland für sich selbst. Ähnlich im Fach Englisch: es wird nur eine Aufgabe im Umfang von 60 Minuten bundesländerübergreifend erarbeitet.


Vor allem die Schülerinnen und Schüler in Bayern, deren Abitur als eines der schwersten in Deutschland angesehen wird, haben sich in der Vergangenheit bei der Studienplatzvergabe benachteiligt gefühlt. Bei bundesländerübergreifenden Hochschulbewerbungen für zulassungsbeschränkte Studiengänge kommt es auf den Abiturschnitt an. Schulabgänger aus Bundesländern mit weniger anspruchsvollen Abituraufgaben haben somit in der Regel einen besseren Abiturschnitt und folglich größere Chancen auf ihren Wunschstudiengang.


Nun wird argumentiert, dass die Einführung von gemeinsamen Abiturstandards diesen Zustand beheben soll. Doch ich frage mich ganz ehrlich, was die hochgelobten Änderungen hin zu vergleichbaren Bildungsabschlüssen daran überhaupt ändern sollen oder können? Im Fach Deutsch sind die Neuerungen so ausgelegt, dass die Abiturientinnen und Abiturienten nicht notwendigerweise eine gemeinsame Aufgabe lösen müssen und auch in den Fächern Englisch und Mathematik sind die gemeinsamen Aufgabenteile sehr gering.


Was also auf den ersten Blick wunderbar vergleichbar ausschaut ist meiner Meinung nach eine schöngeredete „politische“ Einigung der Kultusminister auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner! Gemeinsame Abiturstandards weit gefehlt. Und was das für eine Vereinfachung für die Mobilität von Familien in Deutschland bedeuten soll muss mir Kultusminister Spaenle auch erst noch erklären. Es gilt also mal wieder genau hinzuschauen und hochangepriesene Neuerungen zu hinterfragen! Aber dafür bin ich – auch wenn ich dafür immer wieder von „regierungstreuen“ Kritikern von mir gescholten werde – doch gerne da. Schließlich bin ich das den Wählern schuldig.



 

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