Strukturschwache Regionen lebenswert gestalten

5 November 2013

Strukturschwache Regionen lebenswert gestalten

 Ein weithin bekanntes Phänomen unserer heutigen Zeit: Die Jungen ziehen der Arbeit hinterher, die Alten bleiben zurück, die Arbeitslosigkeit ist teilweise gerade in ländlichen, strukturschwachen Räumen hoch. Schulen werden geschlossen, den Laden im Ort gibt es längst nicht mehr und die Gemeinde verwaltet nur mehr den Mangel – so kann regionale Schrumpfung aussehen, und so ist sie vielerorts längst Realität.


Auch in Unterfranken sind solche Szenarien keine Fiktion, sondern Wirklichkeit! Doch leben in diesen Räumen weiterhin Menschen, die dort verwurzelt sind und sich ein „gutes“ Leben wünschen, genauso wie die, aus anderen Regionen auch.


Ein Expertenteam unter der Leitung von Sozialwissenschaftlern des Thünen-Instituts für Ländliche Räume hat nun Strategien entwickelt, wie sich regionale Schrumpfungsprozesse so gestalten lassen, dass die dort lebenden Menschen nicht von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen werden.




 angieconscious  / PIXELIO / pixelio.de

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Dabei stellen sie klar fest: Längst ist Schrumpfung kein rein ostdeutsches Phänomen mehr. In immer mehr Regionen Deutschlands sind Einwohnerzahlen, Beschäftigung oder Kommunaleinnahmen rückläufig.


Von 1999 bis 2009 ist die Einwohnerzahl in mehr als der Hälfte der deutschen Kreise zurückgegangen, ebenso das Arbeitsvolumen. Schrumpfung ist nicht mehr die Ausnahme, sondern – wie Wachstum in anderen Regionen – ein Normalfall der Regionalentwicklung. Zu diesem Ergebnis kommen die Autoren der Studie.


Es gebe zwar vielfältige Initiativen und Projekte, um mit diesem politisch unbequemen Thema umzugehen. Doch träfen solche Versuche schnell auf zahlreiche Hürden. Dazu zählen laut Dr. Küpper, einem der Autoren, unflexible rechtliche Regelungen und Planungsinstrumente, die zwar Wachstum steuern, nicht aber das Weniger organisieren können. Entsprechendes gilt für Förderprogramme, die Anreize zu Wachstum und Ausbau setzen, dabei aber kaum den Anforderungen von Schrumpfungsprozessen gerecht werden.


Am 22. Oktober 2013 stellten die Wissenschaftler im Bundeslandwirtschaftsministerium die Handlungsempfehlungen vor, die sie in drei Workshops mit rund 40 Experten aus Wissenschaft, Ministerien und regionaler Praxis erarbeitet haben. Sie empfehlen zum Beispiel, die Siedlungs- und Infrastruktur an die bestehenden Verhältnisse anzupassen. Dazu sollen Kommunen einer Region gemeinsam Siedlungskerne festlegen, die es zu stabilisieren gilt.


Parallel dazu sollen in anderen Gebieten der Abriss ungenutzter Gebäude und die Anpassung von Infrastrukturen gefördert werden. Außerdem sollen Landräte und Bürgermeister regionale Kooperationen und Beteiligungsprozesse anstoßen. Dabei sind die Bürger an Zukunftsdialogen zu beteiligen. Dorfmanager sollen als „Kümmerer“ und Ideengeber das Engagement der Bürger für den eigenen Ort mobilisieren. Um die Gestaltungsspielräume für die regionalen Akteure zu erweitern, können aus den zahlreich vorhandenen Fördertöpfen Regionaletats gespeist und gezielt in stark schrumpfenden Regionen eingesetzt werden. Außerdem sollen Bund und Länder vorhandene rechtliche Regelungen, die innovativen Lösungen im Wege stehen, für diese Räume lockern. Damit richten sich die Empfehlungen der Experten an unterschiedliche Adressaten in Bund, Ländern und Kommunen.


Ihre Empfehlungen haben die Autoren vom Thünen-Institut und der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung im Oktober 2013 in einer Studie veröffentlicht. Dort führen sie aus, dass weder eine geförderte großräumige Absiedlung noch ein Sich-selbst-Überlassen der Schrumpfungsregionen sinnvolle Optionen darstellen. Vielmehr befürworten die Experten, regionale Schrumpfungsprozesse aktiv zu gestalten.




jcpoffet  / PIXELIO / pixelio.de

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Darauf drängen wir Freie Wähler im Übrigen schon lange und sind bei unserer in der vergangenen Legislaturperiode durchgeführten Studie zu ähnlichen Ergebnissen gekommen. Deshalb muss es geradezu als Auftrag an das neue Heimat-Ministerium gelten, dass Schrumpfung nicht mehr als Tabuthema wahrgenommen wird, sondern endlich aktiv angegangen werden muss.


Dies sollte so selbstverständlich werden wie der Umgang mit Wachstum. Dafür sind zwar ein langer Atem und eine positive Vision für die betroffenen Räume notwendig. Dann ist aber auch Resignation fehl am Platz, denn in einem der reichsten Länder der Erde muss und kann es möglich sein, gesellschaftliche Teilhabe trotz Schrumpfung zu gewährleisten.


Die Studie „Regionale Schrumpfung gestalten“ von Patrick Küpper, Annett Steinführer, Steffen Ortwein und Moritz Kirchesch hier online abrufbar!



 

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