Staatsregierung hat Anschluss verpasst

7 November 2013

Staatsregierung hat Anschluss verpasst

Vielleicht wird es mir in dieser Legislaturperiode noch öfter so gehen wie bei einer bildungspolitischen Podiumsdiskussion in dieser Woche in Dachau. Wobei für Dachau auch Zeitlofs, Hammelburg oder Lohr stehen könnte. Nachdem die Schulleiter von Grund-, Förder-, Mittel-, Wirtschafts- und Realschule sowie eines Gymnasiums ihre Unzufriedenheit mit den derzeitigen nicht mehr zu tolerierenden, ungenügenden Rahmenbedingungen an ihren Schulen kund getan hatten, war bei mir die Ernüchterung groß.




Dieter Schütz  / PIXELIO / pixelio.de

Dieter Schütz / PIXELIO / pixelio.de


Nein …, so schlimm hatte ich es mir bei weitem nicht vorgestellt: zu wenig Lehrerstunden, zu wenig Fachpersonal für die Umsetzung der Inklusion, zu große Klassengrößen bei gleichzeitig einer hohen Anzahl Inklusionskinder. 10 bis 20 Stunden Mehrarbeit von Schulleitern um mittels Gesprächen und Sitzungen den Laden am Laufen zu halten, fehlende fachliche Fortbildungen für die Lehrer und nicht an die Anforderungen der heutigen heterogenen Schulsituation ausgebildete Junglehrer, krass hohe Fluktuationen in den Lehrerkollegien! So massiv und in der Tragweite hatte ich bisher Schulleiter in der Öffentlichkeit nicht auf die uns durchaus bekannten Fehlentwicklungen im bayerischen Schulsystem schimpfen hören.


Da war ich bisher mit den Schilderungen in meiner unterfränkischen Heimat von ständig ausfallendem Unterricht an der Grundschule Hammelburg, zu wenig Lehrerstunden an der Grundschule Zeitlofs, Lehrerversorgungsproblemen an der Grundschule Lohr-Sackenbach und stets der zu dünnen Lehrpersonaldecke geradezu verwöhnt gewesen. Ja manchmal dachte ich mir in der Vergangenheit auch, dass sei unter Umständen vor allem ein Problem des ländlichen Raumes.


Aber nun, Dachau, mitten im Speckgürtel Münchens und dessen größte Zuzug-Stadt …, bin ich jetzt im falschen Film? Zwangsläufig gingen mir Gedanken durch den Kopf wie, wo kommen denn die 47 Prozent der CSU bei der Landtagswahl her, wenn alles doch so dramatisch ist und Seehofer und Spaenle uns immer weiß machen wollen, dass am bayerischen Bildungshimmel alles himmelblau und rosarot sei?




Stephanie Hofschlaeger  / PIXELIO / pixelio.de

Stephanie Hofschlaeger / PIXELIO / pixelio.de


Endlich einmal, und darüber war ich froh, haben Schulleiter Tacheles geredet und sich keinen kultusministeriellen Maulkorb verpassen lassen. Da kam es also zu Tage: Inklusion als große Aufgabe und Herausforderung für die Schulen, aber ohne zusätzliche spürbare Ressourcen! „Wie soll das gehen, wenn Klassen mit 28 Grundschüler und davon bis zu 9, teilweise verhaltensauffällige Inklusionsschüler, mit einer Lehrkraft auskommen soll? Wie soll da jedem einzelnen Schüler Rechnung getragen werden, wenn sich um jeden Inklusionsschüler individuell gekümmert werden soll?“ fragte zu recht eine hochengagierte, aber nahezu verzweifelte Schulleiterin. Oder wie sollen nicht ausgebildete und auch nicht fortgebildete Grund-und Hauptschul-Lehrkräfte behinderte und förderbedürftige Kinder unterrichten, wenn sie hierfür bisher keine spezifische Fortbildung erfahren haben, war die berechtigte nächste Frage. Und wie soll der immer stärker zunehmenden Heterogenität in den Schulklassen mit je einer Stunde individuellem Förderunterricht pro Jahrgangsstufe in der Mittelschule begegnet werden? Bei dieser Beschreibung des Mittelschul-Leiters konnte das Publikum nur verzweifelt den Kopf schütteln.


Probleme über Probleme, aber der damit konfrontierte CSU-Kollege betete munter irgendwelche Statistiken über erste Plätze in dieser und jener Studie von einem Blatt herunter. Doch das Publikum hörte scheinbar gut zu und konnte sich das Lachen nicht verkneifen, denn die Studien stammten aus den Jahren 2010 und 2011, peinlich! Erst diese Woche kam aktuell die neue vbw-Studie zu den Ganztags-Grundschulen auf den Markt, letzter Platz für Bayern. Es sind keine zwei Wochen vergangen, da war es der Bildungsmonitor 2013 der Bertelsmann-Stiftung, der Bayern …., ja Bayern … nur noch auf Platz 3 sah.


Ja, ich frage mich schon, wenn ich die rund zweieinhalbstündige von den Lehrern wie den Zuhörern mit Hingabe und Herzblut geführte Diskussion erlebt habe, wie eine absolute Mehrheit für die CSU bei der Landtagswahl zustande kommen konnte? Für ein derart desaströsen Zustand des bayerischen Schulsystems wären die Oppositionsbänke gerade einmal hart genug gewesen. Und, das frage ich mich auch: wie können wir Oppositionspolitiker den Bürgerinnen und Bürgern helfen diese Missstände verbessern, wenn im gleichen Atemzug der CSU-Kollege die bayerischen Bildungsausgaben als außerordentlich hoch lobpreist und behauptet, man gäbe schon ein Drittel des Haushaltes für Bildung aus?


Letzteres ist zwar richtig, aber eben angesichts der zu bewältigenden Herausforderungen zu wenig. Unsere Berechnungen, ausgerichtet am Bruttoinlandsprodukt zeigen, dass Bayern bei den Bildungsausgaben eben nur auf Rang 13 im Ranking der Bundesländer liegt. Wir FREIE WÄHLER sind schon seit langem der Meinung, dass wir eine Bildungs-Milliarde benötigen, die rund 5000 (wirklich) neue Personalstellen für die immer heterogenere Schülerschaft mit immer neuen Herausforderungen wie Inklusion, kontinuierlich steigende Anzahl nicht deutsch sprechender Schüler, Umsetzung des Ganztagsschulbetriebes und zunehmenden Leistungsanforderungen bereits in der Grundschule, schafft. Die Staatsregierung – und das ist mir nochmal deutlicher geworden – hat die gesellschaftlichen Veränderungen verschlafen und das Bildungssystem nicht rechtzeitig diesen angepasst.



 

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen