Inklusion im Bayerischen Bildungssystem – Teil 1

21 Juni 2011

Inklusion im Bayerischen Bildungssystem – Teil 1

Bisherige Bestandsaufnahme: „Alter Wein in neuen Schläuchen“

Als aufmerksamer Blogleser wundern Sie sich jetzt sicherlich, dass ich schon wieder einen Beitrag zum Thema Inklusion beisteuere. In der Tat, wenn Sie hier regelmäßig reinschauen, sind Sie inzwischen mit dem Begriff „Inklusion“ vertraut. Dann wissen Sie ja auch, dass ich dieses Wort furchtbar finde, weil man zum Verstehen erst einmal ein Fremdwörterlexikon braucht.

Warum kann man denn nicht von einer gleichberechtigten Teilnahme aller Menschen am alltäglichen Leben sprechen? Deswegen verwundert es auch nicht dass in weiten Teilen der Bevölkerung, wenn nicht gar im größten Teil der Bevölkerung, keiner damit etwas anzufangen weiß.

Dabei sind seit dem Inkrafttreten der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung am 26. März 2009 inzwischen zwei Jahre vergangen. Seitdem streben in Deutschland viele Kinder, ob mit oder ohne Behinderung  bzw. sogenannten sonderpädagogischen Förderbedarf, einen Rechtsanspruch auf ein gemeinsames Lernen an. Grund genug für mich, heute den Versuch einer Bestandsaufnahme in Sachen Inklusion zu machen.

Bisherige Praktiken zur Inklusion




Immer wieder ist, wenn das Thema zur Sprache kommt, vom neuen bayerischen Weg der „Inklusion durch Kooperation“ die Rede. Aber was ist damit eigentlich gemeint? Was lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt über die Teilhabe von behinderten Schülerinnen und Schülern am Schulsystem sagen? Und inwieweit wird im Freistaat der Gedanke der Inklusion an Schulen bereits umgesetzt?

Sicher, schon vor Inkrafttreten der UN-Konvention war es in Bayern für Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf möglich, unter bestimmten Voraussetzungen in einer Regelschule unterrichtet zu werden. Man spricht dann von Einzelintegration, das Kind wird überwiegend in der Klassengemeinschaft unterrichtet, muss den Unterrichtsformen der allgemeinen Schulen folgen und Fortschritte erzielen können. Unterstützung bekommt es gegebenenfalls von einem Mitarbeiter des mobilen sonderpädagogischen Dienstes (MSD) oder einem so genannten „Schulbegleiter“. Die Anzahl der Integrationsschüler in Bayern ist in den letzten Jahren stetig gestiegen, im Schuljahr 2008/09 waren es 16 Prozent (!) mehr als im vorangegangenen Schuljahr.

Weitere Formen der Integration sind Kooperations- und Außenklassen, bei denen die Idee des pädagogischen Zusammenwirkens von Förderschulen und allgemeinbildenden Schulen im Vordergrund steht. Hier nehmen beispielsweise einzelne Klassen einer Grund- oder Hauptschule Schüler aus einer kooperierenden Förderschule auf, der Unterricht erfolgt nach dem Lehrplan der allgemeinbildenden Schule. Trotzdem bleiben die Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf der Förderschule zugeordnet.

Die Zahl der Kooperationsklassen hat in den letzten Jahren ebenfalls zugenommen, im vergangenen Schuljahr 2010/11 wurden in Bayern an 633 Schulen Kooperationsklassen eingerichtet. Im anderen Fall werden Förderschulklassen an Regelschulen ausgelagert, unterrichtet wird weiterhin nach dem Lehrplan der Stammschule und man erhofft sich Integration allein aufgrund der räumlichen Nähe. Im Schuljahr 2010/11 gab es bayernweit 163 solcher Außenklassen.

Inklusion ist nicht Integration




All diese Ansätze sind wohlgemeint, aber schaffen sie wirklich die Voraussetzung für eine gleichberechtigte Teilhabe behinderter Kinder an der Gesellschaft? Ich denke nein! Inklusion ist eben nicht gleichzusetzen mit Integration. Statt davon auszugehen, dass sich Menschen mit Behinderung in die Gesellschaft integrieren und damit an sie anpassen müssen, setzt „Inklusion“ in den Köpfen der Menschen, also bei der Gesellschaft an. Sie muss derart umgestaltet werden, dass alle Menschen die Möglichkeit zur gleichberechtigten Teilhabe an ihr haben. Letztlich ist aber in Bayern in den letzten beiden Jahren noch nicht sehr viel mehr geschehen, als den bisherigen Weg der „Integration durch Kooperation“ einfach nur neu zu benennen.

Der ursprüngliche Gesetzesentwurf der Staatsregierung ging eindeutig nicht weit genug. Viel zu sehr setzte man hier auf Althergebrachtes wie eine verbesserte Einzelintegration oder eben die erwähnten Kooperations- und Außenklassen. Letztlich also war es wieder mal nur der alte Wein in neuen Schläuchen!

Im Landtag haben wir deshalb eine interfraktionelle Arbeitsgruppe gebildet und in im vergangenen Jahr intensiv an einem neuen Gesetzesentwurf gearbeitet, um dem Rechtsanspruch aller Kinder auf eine gemeinsame Bildung gerecht werden zu können.

Erst der Pluralismus macht eine Gesellschaft lebendig. Foto:Petra Hegewald / PIXELIO



 

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