„G8 + 1 = Abitur“ ist gleich Intensivierungsjahr

11 März 2012

„G8 + 1 = Abitur“ ist gleich Intensivierungsjahr

"G8 + 1 = Abitur", diese Formel sorgt seit einigen Tagen in der Öffentlichkeit und in der Schulfamilie wieder für einigen Wirbel. Die Ankündigung von Kultusminister Spaenle, künftig durch ein freiwilliges Zusatzjahr das Abitur - wie früher - auch in neun Schuljahren zu erreichen, ist nicht nur dem großen Verlangen von Schülern und Eltern nach Minderung des enormen Leistungsdruckes im von vorneherein konzeptionslosen G8 geschuldet, sondern ist mit Verspätung letztendlich das Eingeständnis, dass bei allen erfolgten Korrekturen an den Lehrplänen eben doch eines nicht berücksichtigt wurde, das Individuum Mensch.


Einfach zu sagen, Kürzung der Lehrplaninhalte um ein Neuntel, wie es das Kultusministerium noch vor einer Woche im Rahmen einer Bildungsausschuss-Sitzung lobpreiste und darauf mit all den konzeptionellen Veränderungen das hohe Lied auf das "gelungene G8" gesungen hat, ist es eben nicht!


Der Entwicklungs- und Reifegrad eines Schülers wurde damals bei der Stoiber‘schen Nacht- und Nebelaktion G8 auf Biegen und Brechen und so schnell wie möglich - am besten noch gestern - einzuführen, komplett missachtet. Wie sagte mir noch vor einem Jahr ein Bekannter, der am Gymnasium Mathematik und Physik unterrichtet, 'bei den Lehrplänen wurde schon adäquat reduziert, aber was nicht berücksichtigt wurde ist die Tatsache, dass die Schüler ein Jahr jünger sind und den zusammengedrängten Stoff, ein Jahr früher als die G9er bewältigen müssen'.






Jetzt ist es auch dem Bayerischen Kultusminister aufgefallen. Wir müssen den Kindern die Chance auf eine persönliche Entwicklung lassen und dafür an den Schulen auch unterschiedliche Lerngeschwindigkeiten anbieten. Foto: Souza/PIXELIO; pixelio.de



Dem Stichwort individuelle Lerngeschwindigkeiten ist nunmehr das neue Intensivierungsjahr, das wir FREIE WÄHLER schon am 9. Juli 2010 mit einem Antrag im Bayerischen Landtag als sogenanntes "Brückenjahr" gefordert haben, als meines Erachtens sinnvolle Alternative geschuldet. Schüler können also künftig, wenn sie der Meinung sind aus der Mittelstufe lerninhaltliche Defizite aufgebaut zu haben, mit einer Art Auffrischungsjahr, diese ausgleichen und mit neu gewonnener Reife und Motivation erst dann die Oberstufenjahre angehen. Ich bin der Ansicht, dass dies eine vernünftige Möglichkeit für Schüler und Eltern ist noch einmal Inne zu halten, Berufs- und Studienabsichten zu überprüfen und auch den bisher gegangenen Weg.


Als ich dieser Tage mit einer an einem Gymnasium in der Schulverwaltung tätigen Angestellten gesprochen habe und sie mir berichtete, dass an ihrer Schule noch nie so viele Schüler wie nach dem erfolgreichen G8-Abschluss eine Auszeit in Form von ein Jahr des gelegentlichen Jobbens, eines Auslandsaufenthalt, einfach Nichtstun und Orientierungssuche hinter sich bringen, dann macht mich das nachdenklich und zeigt auf, das in diesem G8 in seiner bisherigen Form etwas nicht passt und scheinbar bei vielen Absolventen zu einer Art 'Burn-Out' geführt hat.


Das kann es aber nicht sein, dass die Schule zur Leistungsmaschinerie verkommt und die Schüler zwar ein Jahr schneller Hochschulzugangsberechtigt, aber dafür ausgebrannt sind und erst eine Verschnaufpause brauchen, um dann doch erst nach neun Jahren dem System wieder zur Verfügung zu stehen. Schildbürga lässt grüßen!


Dazu ist das künftige Intensivierungsjahr eine Alternative, wenngleich nach wie vor dringend am Lehrplan des G8 massiv Hand angelegt werden muss. Erst am vergangenen Donnerstag habe ich im Bildungsausschuss am Beispiel der Fächer Mathematik, Physik und Informatik beispielhaft dargelegt wie widersinnig die Veränderungen hinsichtlich der Vorgabe verpflichtender und fakultativer Lerninhalte - Letztere dann aber doch abiturrelevant - sind. Oder wie mehrmals die Bedeutung der Fächern hinsichtlich Schulaufgabenpflicht in den Jahrgangsstufen wechselt und wiederum nicht abgestimmter Inhalte zwischen den naturwissenschaftlichen Fächern zeigen, dass es eben nicht reicht mit der Sense drüber zu gehen und nur ein Neuntel zu streichen.


Die Neuerung wird zumindest eines verhindern, die ganz große Unruhe und ein neuerliches Chaos an den Gymnasien, die mit einer Rückkehr zum G9 oder einer Parallelität G8/G9, stattgefunden hätte. Andererseits ist manchmal 'ein Ende mit Schrecken besser als ein Schrecken ohne Ende' wenn man sieht, dass sich eine Neuerung in keinster Weise bewährt hat. Doch nach den Gesprächen mit einigen Lehrer- und Elternverbänden in den vergangenen Wochen wurde uns von deren Seite bestätigt, dass das G8 angekommen sei, wenngleich noch einiger Korrektur- und Handlungsbedarf - wie nun mit dem Intensivierungsjahr - bestehe.


In diesem Zusammenhang weise ich auch noch einmal darauf hin, dass sich schon in den vergangenen Jahren an der Entwicklung der permanent steigenden Absolventenzahlen der Berufs- und Fachoberschulen ohnehin längst ein 'neues G9' in Bayern entwickelt hat. 44% aller Hochschulzugangsberechtigten kommen aus der FOS/BOS-Schiene.




Foto: 159671_original_R_K_B_by_S.-Hofschlaeger_pixelio.de_.jpg



 

Durch die weitere Nutzung der Seite stimmen Sie der Verwendung von Cookies zu. Weitere Informationen

Die Cookie-Einstellungen auf dieser Website sind auf "Cookies zulassen" eingestellt, um das beste Surferlebnis zu ermöglichen. Wenn du diese Website ohne Änderung der Cookie-Einstellungen verwendest oder auf "Akzeptieren" klickst, erklärst du sich damit einverstanden.

Schließen