Mut, Personal und Entschleunigen – Anhörung zum G8

30 März 2012

Mut, Personal und Entschleunigen – Anhörung zum G8

„Mut kann nicht verordnet werden, was nicht verboten ist, ist bei uns erlaubt!“ Mit dieser Aussage traf der Direktor des Johann-Schöner-Gymnasiums Karlstadt auch meinen Eindruck, den ich in den vergangenen Monaten in vielen Gesprächen mit Schulleitern bekommen habe. Wenn sich die Schulleitungen mit Kreativität und Ideenvielfalt zusammen mit den Lehrerkollegien auf den Weg machen, dann kann auch das G8 Spaß machen und erfolgreiche Schüler hervorbringen. Allerdings – und das muss immer wieder betont werden – nur unter Einbezug von hochengagierten Lehrkräften und nicht mit insgesamt zu wenig personeller Unterstützung seitens des Freistaates.



Nicht nur Häusler, der als Experte der Anhörung des Bildungsausschusses zum G8 geladen war, nannte im Zusammenhang mit dem G8 den Begriff „Mut“ des Öfteren. Auch Karlheinz Bruckner, der Landesvorsitzende der Direktorenvereinigung, und Schulpsychologin Regina Knape (Coburg), die stellvertretende Vorsitzende des Landesverbands Bayerischer Schulpsychologen, taten dies. Knape forderte aber auch deutlich „Lehrplanoptimierungen“ und eine Verstärkung der individuellen Förderung sowohl von schwächeren wie hochbegabten Schülerinnen und Schülern. Sie war die einzige, die „Entschleunigungssysteme“ anmahnte. Wie diese aussehen können wollte ich von ihr wissen? Etwa eine „flexible Unterstufe“ analog der flexiblen Grundschule, um damit den Schülern mehr Zeit zu gewähren oder ein „Pufferjahr vor der Oberstufe“.



Der vielgehörte „Leistungsdruck“, der immer wieder von Seiten der Eltern und Schüler zum Ausdruck gebracht wird, sah Schülervertreter Ansgar Münichsdorfer, Assistent des Landesschülerrates und Bezirksschülersprecher in Oberbayern, nicht: „Die Intensivierungsstunden sollten noch weiter ausgeweitet werden und dabei mehr binnendifferenziert werden“, so seine Meinung. In der Anzahl und Verwendung der Intensivierungsstunden liegt wohl ein Schlüssel zum Erfolg, so auch meine Ansicht.




Durch gut angelegte Intensivierungsstunden Leistungdruck vermindern. Foto: "Michael S." / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc) http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/deed.de




Dennoch müssen bei so viel Lob für das G8 auch die kritischen Stimmen Beachtung finden. So bemerkte Dr. Fritz Schäffer, Leiter der Abteilung Schul- und Bildungspolitik beim BLLV, zu Recht, dass die Probleme des G8 bereits im G9 vorhanden waren und sich nun nur noch verschärft darstellten. Da stimme ich ihm unumwunden zu: Fehlende, ausreichende Personalressourcen, um beispielsweise den Unterrichtsausfall zu reduzieren und verstärkt individuelle Förderung anbieten zu können oder fehlende Leitungszeiten für Schulleiter, sind gravierende Mängel. Auch eine nicht in genügendem Maße vorhandene Richtungsänderung bei der Lehrerfortbildung und Lehrerausbildung in Richtung Vermittlung neuer Unterrichtsformen sind Problemstellungen, die längstens hätten angegangen werden müssen. Dann ist da noch der Widerspruch im Lehrplan, der einerseits fächerübergreifendes Lernen fordert, aber 16 verschiedene Fächer vorsieht, die wiederum – wie mir immer wieder Gymnasiallehrkräfte bestätigen - nicht untereinander in ausreichendem Maße abgestimmt sind.



Das sieht auch Max Schmidt, der Vorsitzende des Bayerischen Philologenverbandes so: „Die Zusammenlegung von Sozialkunde/Geschichte in der Oberstufe ist problematisch, es bedarf noch Abstimmungsbedarf in einigen Fächern“. Durchwegs positiv wurde die Implementierung der W- und P-Seminare angesehen. Einen wichtigen und auch bemerkenswerten Punkt sprach Prof. Peter Brenner von der TU München an, die Qualität der gymnasialen Ausbildung nicht weiter zu senken: „Unsere Erwartung an die Studenten ist schon, dass sie fachbezogen und auf den Punkt bezogen arbeiten können“. Dazu trage der derzeit an den Gymnasien vorhanden Methodenmix aus alten und neuen Unterrichtsformen seiner Ansicht nach bei.



Der Spagat zwischen einer breiten Allgemeinbildung und der Vertiefung der Lerninhalte stellt wohl die Hauptschwierigkeit bei der Abarbeitung des Lehrplans für die Lehrkräfte dar. Helmut Seidl, Schulleiter des Elsa-Brändström-Gymnasiums in München meinte angesichts dessen: „In der Unterstufe Verzicht auf einige Dinge, in der 7./8. Jahrgangsstufe stürzt dann wieder zu viel auf die Kinder ein, dadurch fehlen in 9/10 oftmals Grundlagen. Durch zu große Klassen- bzw. Kursgrößen wird individuelle Förderung schwierig“.



So waren die Meinungen bei dieser Anhörung sehr vielfältig und breit gestreut. Deshalb möchte ich hier nochmals Direktor Häusler zu Wort kommen lassen: „Wer nachtragend ist hat viel zu sagen und bricht unter dieser Last zusammen und kommt nicht mehr zum Arbeiten. Der übermäßige Druck hängt auch davon ab, was man vor Ort macht. Pädagogische Formen hängen nicht von Rahmen ab, sondern von der Kreativität des Lehrpersonals“. Vielleicht klappt das G8 in Karlstadt auch deshalb so gut, unkte Häusler scherzhaft, weil  „Wir 300 km weg von München sind, da sieht man nicht alles!“ und wies auf einige Vorzüge des JSG hin: Übergänge gestalten, bereits ab Klasse 5, große und kleine Leistungsnachweise anbieten.



Nichtsdestotrotz stimme ich wiederum auch Fritz Schäffer zu: „Lehrplan und Stundentafel sind die beiden Stellschrauben, die Schüler im G8 fit für die Zukunft zu machen. Das heißt den Lehrplan zum Lernplan zu machen“.  Stichwort nachhaltiges Lernen statt Bulimie-Lernen und Reduzierung der Stofffülle. Da bin ich mal gespannt, ob die von der Staatsregierung in Aussicht gestellten Maßnahmen wie Veränderungen in punkto nachhaltiges Lernen und Rhythmisieren greifen. Ebenso wie eines erkannten und verstärkten individuellen Förderbedarfs in der Mittelstufe, aber „keine Lehrplanreduzierung, sondern Ausrichtung zu einem kompetenzorientierten Lehrplan“?

Lesen Sie dazu auch meine Pressemitteilung.





Den Lehrplan zum Lernplan machen. Foto: "Dinah P." / www.jugendfotos.de, CC-Lizenz(by-nc) http://creativecommons.org/licenses/by-nc/3.0/deed.de





 

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