Zu viel eigenverantwortlicher Unterricht von Referendaren

14 Mai 2012

Zu viel eigenverantwortlicher Unterricht von Referendaren

Was würden Sie sagen, wenn Ihnen auf dem Operationstisch liegend eröffnet werden würde, dass der Operateur sich noch in Ausbildung befindet und heute gerade an Ihnen seinen ersten Schnitt probieren darf? Vermutlich würde Sie kurzerhand von der OP-Liege springen. Abiturienten ist dies nicht möglich, wenn sie in den nächsten Tagen beim schriftlichen Abitur von Referendaren beaufsichtigt werden. Ja, richtig gehört! Nun dürfen die Referendare in ihrem dritten Ausbildungsabschnitt neben bis zu 17 Stunden eigenständiger Unterrichtsverpflichtung auch noch Aufsicht bei den Abiturprüfungen führen.



Und das alles, weil das Kultusministerium uns glaubhaft versichert, dass es genügend Lehrkräfte an den bayerischen Schulen gibt. Fällt einem dazu noch etwas ein? Ja! Referendare dürfen nicht länger als billige Lehrkräfte missbraucht werden, deshalb ist eine drastische Absenkung ihrer verpflichtenden Unterrichtszeiten aus meiner Sicht überfällig. Aus diesem Grund haben wir FREIEN WÄHLER im Ausschuss für Bildung, Jugend und Sport die in dieser Woche eingebrachten Petitionen zur Absenkung der verpflichtenden Unterrichtszeiten für Referendare voll und ganz mitgetragen.


Wir hatten das übrigens bereits im vergangenen Jahr in einem Antrag gefordert, in dem wir die Staatsregierung aufforderten, die Grundunterrichtsverpflichtung für die Referendarinnen und Referendare aller Schularten generell auf maximal 14 Wochenstunden zu reduzieren. Denn durch die derzeitige hohe Unterrichtsverpflichtung besteht für die jungen Lehrkräfte eine sehr hohe zeitliche Belastung, so dass eine sorgfältige Vorbereitung der einzelnen Unterrichtsstunden und der Prüfungsaufgaben kaum möglich ist.


Leidtragende sind dabei natürlich vor allem die Schülerinnen und Schüler. Was auf den ersten Blick wie eine gute, praxisorientierte Ausbildung aussehen mag, ist bei näherer Betrachtung genau das Gegenteil davon. Die hohe Unterrichtsverpflichtung bindet nämlich gleichzeitig sehr viel Betreuungskapazität bei den Betreuungslehrkräften, so dass kaum mehr Zeit für eine gründliche Besprechung der einzelnen Stunden und Aufgabenstellungen bleibt. Genau das aber wäre im Sinne einer soliden Lehrerausbildung.


Wir FREIEN WÄHLER fordern deshalb ein totales Umdenken bei der Lehrerausbildung. Wir möchten bereits mehr fachpraktische Studienanteile im Studium. So könnte man dann im letzten Abschnitt der Referendarausbildung, wenn es auf die Prüfungen zugeht, ganz auf eigenständige Unterrichtsverpflichtung verzichten und sich komplett den Prüfungsvorbereitungen widmen. Und ich gebe darüber hinaus zu bedenken, dass die hohe Unterrichtsverpflichtung auch die Festeinstellung bereits fertig ausgebildeter Lehramtsanwärter verhindert. Letztendlich blockieren die Referendare mit ihrer hohen eigenverantwortlichen Unterrichtsverpflichtung ihre eigenen Planstellen.


Derzeit werden an den rund 50 bayerischen Seminarschulen so rund 1500 Stunden mit eigenverantwortlichem Unterricht abgedeckt, was rund 70-90 Planstellen entspricht. Im Übrigen wurde die eigenverantwortliche Unterrichtsverpflichtung im letzten Ausbildungsabschnitt in den 90er Jahren ursprünglich aus Gründen des Lehrermangels eingeführt, sozusagen als Notmaßnahme. Aus dem Notfall wurde im Laufe der Jahre ein Regelfall, weil das Kultusministerium gemerkt hat, dass man sich auf diese Art und Weise „billiger“ Lehrerstunde bedienen kann.


Interessant war auch wieder die ablehnende Begründung der CSU zu dieser Petition. Man wisse um den Umstand und sehe durchaus Handlungsbedarf und wolle dies im nächsten Haushaltsentwurf berücksichtigen. Das ist eine Formulierung, die mir in jedem Ausschuss mehrmals begegnet. Sie klingt langsam abgedroschen, hilft den Junglehrern nicht weiter und verändert auch die Situation nicht. Sie beschreibt aber ganz treffend, in welch ärmlichem Zustand sich die bayerische Bildungspolitik befindet: Man spart mal wieder auf dem Rücken des Personals!





Schülerinnen und Schüler bei der Abiturprüfung. Foto: Klaus-Uwe-Gerhardt/ PIXELIO



 

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