Mit der Brille eines 28-jährigen sieht manche Entscheidung anders aus

11 Dezember 2014

Mit der Brille eines 28-jährigen sieht manche Entscheidung anders aus

Wochenlang bin ich jetzt mit dieser „komischen“ Brille herum gelaufen. Naja, was heißt komisch? Das beziehe ich lediglich auf die auffällige und gewöhnungsbedürftige Optik. Gleich am ersten Tag, einem Dienstag  - es war der 20. Oktober, haben meine Fraktionskollegen bei der Fraktionssitzung gefragt, ob denn schon Fasching sei? Ich habe sie dann erst einmal über die Aktion „ U28-Die Zukunft lacht“ des BDKJ-Diözesanverbandes Würzburg aufgeklärt. Und die Kolleginnen und Kollegen waren von dem Gedanken, die zu treffenden politischen Entscheidungen hinsichtlich der jugendpolitischen Auswirkungen zu reflektieren, äußerst angetan.

Wenn wir in diesen Tagen nun den Doppelhaushalt 2015/16 diskutieren und verabschieden, dann sitzt diese U28-Brille bei meinem Steckenpferd, der Bildungspolitik, ganz fest auf meiner Nase. Letztendlich geht es um die Zukunft unserer Kinder und Jugendlichen. Ob mit diesem Doppelhaushalt und den Investitionen im Bildungsbereich allerdings „die Zukunft lacht“, das stelle ich hier gerne zur Diskussion.  Denn mit 11,8 Milliarden Euro umfasst der Schul- und Bildungs-Etat zwar wieder eine „Rekordmarke“ und macht etwa ein Fünftel des gesamten Staatshaushaltes aus, doch darf das nicht darüber hinweg täuschen, dass es im europäischen und auch im deutschen Vergleich eher Durchschnitt darstellt.

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Die OECD hat einmal als Eckpunkt vernünftiger und nachhaltig wirkender Bildungspolitik zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes angegeben. Legt man diesen Maßstab auf den bayerischen Bildungsetat an, dann sind wir mit 2,65 Prozent vom bayerischen BIP meilenweit von nachhaltig wirksamen Bildungsinvestitionen entfernt und liegen auch im bundesweiten Vergleich nur auf Rang 13. Deshalb habe ich gerade aus U28-Blickwinkel gegen den Haushaltsentwurf der Regierung gestimmt, weil mir wesentliche und wichtige Bestandteile einer qualitativ wirksamen Bildung fehlen. Deutlich zu wenig Mittel für die von Ministerpräsident Seehofer groß angekündigte Ganztagsgarantie. Diese soll bis zum Jahr 2018 allen Schülern bis 14 Jahren die Ganztagsbetreuung möglich machen. Da stoße ich mich schon einmal an der Begrifflichkeit „Ganztags-Betreuung“, denn die liegt weit von einer qualitativ guten Ganztagsschule entfernt. Sie endet um 16 Uhr, es gibt sie nur an vier Tagen in der Woche und nicht in den Ferienzeiten. Und in Bayern profitieren eben nach wie vor nur rund 3 Prozent der Schüler von einer rhythmisierten und sogenannten „gebundenen“ Ganztagsschule: Platz 16 in Deutschland.

Insofern kann ich mit der U28-Brille betrachtet die dafür eingestellten 26 Millionen Euro nur als nicht ausreichend und nicht adäquat für eine nachhaltige Bildungspolitik bezeichnen. Auch bei der zweiten Garantie, der sogenannten Grundschul-Garantie, ist es nicht viel anders. Sie ist eine Mogelpackung ohnehin, denn Seehofer proklamierte diese nur für die rechtlich selbständigen Grundschulen und deshalb nimmt die Mehrheitsfraktion mit dem nun beschlossenen Haushalt für die Jahre 2015/16 die Schließung von rund 350 nicht selbständigen Außenstellen in Grundschulverbänden in den nächsten Jahren billigend in Kauf. Dies tut mir in der Seele weh, denn die Grundschule ist für mich das Herz eines Ortes und wenn die schließt, stirbt auch die Lebhaftig- und Lebendigkeit eines Ortes. Und so stellen wir FREIE WÄHLER uns eben gleichwertige Lebensbedingungen in Bayern NICHT vor: es gibt einerseits strukturschwache und wegbrechende Orte und Regionen in Bayern und andererseits pulsierende und überquillende Metropolen, deren Schulhäuser aus allen Nähten platzen.

Dieter Schütz  / pixelio.de

Dieter Schütz / pixelio.de



Darüber hinaus ist für mich ein Haushalt, in dem nicht zumindest die Grundbedürfnisse der bayerischen Schulen - genügend Lehrstunden - abgedeckt sind, nicht zustimmungsfähig. Und wenn ich heute Schulen in meinen Stimm- und Wahlkreisen besuche, dann höre ich eben wie neulich an der Grund- und Mittelschule Frammersbach, an der Maximilian-Kolbe-Mittelschule Rimpar oder der Mönchbergschule Würzburg, dass Stunden hinten und vorne fehlen und alle Lehrkräfte bis Unterkante Oberlippe belastet sind, dass Mobile Reserven an allen Ecken und Enden Mangelware sind und deshalb an individuelle Förderung gar nicht zu denken ist. Aber gerade Letzteres wäre für eine nachhaltige Bildungsbiografie eines jeden einzelnen Schülers von Bedeutung, sodass frühzeitig Sprachdefizite erkannt und behoben, soziale Kompetenzen geschult und ausgebildet werden können. Das kann vor allen Dingen dann nicht funktionieren, wenn – wie von der Staatsregierung geschehen – die Kooperation zwischen Kindergarten und Grundschule um 45 (!) Prozent der Stunden gekürzt wurden und somit eine frühzeitige Förderung fallen gelassen wird.

Und einen letzten Punkt will ich noch ansprechen: die Umsetzung der UN-Konvention zur Inklusion. Sie steht auch mit diesem Doppelhaushalt auf der Stelle und bewegt sich weiter fort. Keine zusätzlichen Mittel für die Inklusion bedeuten einen Rückschritt und sorgt für Unmut und wachsende Unzufriedenheit bei den Lehrerinnen und Lehrern sowie Schülern und Eltern vor allem an den Regelschulen. Da sind eben die jährlich zur Verfügung gestellten 100 Planstellen für neue Profilschulen Inklusion zu wenig und letztendlich ein Tropfen auf den heißen Stein. Wir FREIE WÄHLER wollten für all die aufgezählten Aufgaben tausend neue und zusätzliche Stellen. Dieser Antrag wurde aber von der CSU abgelehnt. Insofern muss ich mit der U28-Brille betrachtet fast weinen, denn wieder einmal wird an der guten Bildung unserer Kinder gespart und wieder gehen die Schulen schweren Zeiten entgegen. Zunehmende Häufung von Auffälligkeiten bei Kindern benötigen auch gute Schulsozialarbeit. Doch dafür hat die Staatsregierung auch in diesem Doppelhaushalt NICHTS Zusätzliches eingestellt.


 

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