Bürgermeister findet Weg aus Schuldenfalle

14 Juli 2010

Bürgermeister findet Weg aus Schuldenfalle

Nachdenklich verließen  die meisten Zuhörer aus der Kommunalpolitik im Landkreis  Main-Spessart nach zwei Stunden einen Vortrag im Hotel „Schöne Aussicht“ Marktheidenfeld, der ihnen die "Quadratur eines Teufelskreises" nahe gebracht hatte. Sie waren beeindruckt von "Bürgermeister Schuldenfrei" aus Rednitzhembach, der (noch) ungewöhnliche Wege in seiner Gemeinde aufzeigte, die bundesweit Beachtung finden. In Zusammenarbeit mit dem Bildungswerk für Kommunalpolitik Bayern hatte ich Bürgermeister Spahl eingeladen.


"Ich kann Ihnen nicht sagen, was Sie bei sich anders machen sollen, aber darstellen, was wir in reiner Notwehr gegen die Schuldenfalle getan haben", dämpfte Jürgen Spahl am Anfang die Erwartungen. Doch was er berichtete, stimmte viele der anwesenden Kommunalpolitiker hoffnungsvoll.




In der 7000 Einwohner zählenden Gemeinde im Autobahn-Dreieck der A-6 und A-9 südlich von Nürnberg ist es dem Rathauschef gelungen, in einer der damals ärmsten Gemeinden Bayerns die Finanzen zu sanieren, ohne Steuern und Gebühren zu erhöhen oder auf Investitionen zu verzichten und die Sanierung von Kanälen und Straßen zu vernachlässigen. Diplom-Verwaltungswirt Spahl ("Es kann nichts schaden, von seinem Beruf etwas zu verstehen"), kandidierte 1996 als Parteiloser bei der Bürgermeisterwahl in Rednitzhembach, damals 36 Jahre alt, als Leiter des Gemeindebauamtes gegen seinen Chef, der ein teures Klärwerk angeschoben und damit ein finanzielles Abenteuer in der mit zehn Millionen Mark verschuldeten Kommune eingeleitet hatte.

Für die Verwirklichung des Projektes wurde 1998 die Gemeindewerke-GmbH gegründet. Die zu 100 Prozent der Gemeinde gehörende GmbH hat unter Ausnutzung aller steuerlichen Möglichkeiten 12 Millionen Euro investiert. Dennoch war Rednitzhembach 2003 ohne Schulden, auch bei seinen Gesellschaften. Und die Abwassergebühren wurden inzwischen zum dritten Mal gesenkt auf nur noch einen Euro pro Kubikmeter. Die anderen öffentlichen Immobilien vom Sportplatz über Gemeinde- und Jugendzentrum bis Kindergarten und neuem Hort sind in private Trägerschaft überführt. "Ohne Defizit? Ausgleichsgarantie", wie Spahl anmerkte, "denn sonst ist das die Einladung, ein Minus entstehen zu lassen". In allen Einrichtungen sei der Service verbessert worden, die Kosten aber günstiger als früher. In allen Gremien der Einrichtungen sind Gemeindepolitiker an den Entscheidungen beteiligt. Bei dem Sparkurs blieben zwei Bereiche ausgeklammert: die soziale Betreuung und das kulturelle Leben einschließlich der Förderung von Vereinen. Spahl: "Denn beide machen die Gemeinde für neue Bürger und damit Steuerzahler attraktiv."Wesentlich zu den Einsparungen trug die Neugestaltung der Gebäudebewirtschaftung bei.

Alle Heizungen werden über ISDN-Anschlüsse und Telefonleitungen von einer Zentrale in Nürnberg überwacht und ferngesteuert. "Im Jugendhaus dreht beispielsweise am Freitag nicht mehr der Erste, der kommt, die Regler auf volle Leistung, um dann, wenn alle da sind und es richtig warm ist, die Fenster aufzureißen, bis sie am Montagmorgen der Hausmeister wieder schließt und die Thermostate auf null stellt", berichtete der Rathauschef. Mit der Wartung und Reparaturen ist ein örtlicher Handwerksbetrieb beauftragt. Die Energieausgaben für alle öffentlichen Gebäude sind seither um 40 Prozent gesunken, der Serviceaufwand um 23 Prozent.

Eine Schlüsselrolle haben für Spahl, neben den seit der Schuldenfreiheit gesunkenen Zinslast, die Personalkosten, die um 410000 Euro im Jahr verringert sind. Mit Einbeziehung des Personalrats und aller Bediensteten wurden aus 15 Voll- und drei Teilzeitbeschäftigten neun Voll- und sieben Teilzeitkräfte. "Beim Sparen habe ich mit mir begonnen. Die Leitung des Bauamtes blieb unbesetzt", so der Bürgermeister. Als der technische Leiter des Klärwerks ausschied, übernahm ein langjähriger qualifizierter Arbeiter die Position. Durch Änderungen am Geschäftsverteilungsplan "und das Herausreißen einer Wand" wurden interne Vertretungen neu geregelt und Aufgaben umverteilt. "Warum soll die Standesbeamtin nicht auch einen Pass ausstellen können oder im Einwohnermeldeamt ein einfaches Kassengeschäft verbucht werden?" Die Berücksichtigung individueller Fähigkeiten und Wünsche habe "wahre Wunder bewirkt und die Motivation beflügelt".

Bei einem Zuwachs der Einwohnerzahl um 12 Prozent sank die Gesamtarbeitszeit um 20 Prozent - "und alle sind zufrieden", versicherte der Chef der Gemeindeverwaltung. Die Bürgerinnen und Bürger honorierten den Entschuldungskraftakt mit gleichzeitiger Leistungsverbesserung bei der Bürgermeisterwahl im Jahre 2002 und 2008: Spahl wurde zunächst mit 85 Prozent und später mit 93,2 Prozent ihrer Stimmen wiedergewählt.


 

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