Rede am 12. Mai im Landtag: Bayerns Schüler brauchen mehr Bewegung

12 Mai 2009

Rede am 12. Mai im Landtag: Bayerns Schüler brauchen mehr Bewegung

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Damen und Herren,

Schulsport – kein Lieblingsfach der Regierung das Thema Schulsport, das wir heute im Rahmen dieser aktuellen Stunde behandeln, zieht sich wie ein grauer Schleier durch die CSU-Regierungspolitik der vergangenen 13 Jahre – denn den roten Faden hat die CSU-Bildungspolitik ja längst verloren - und es gab hierzu ja schon eine Menge an Debatten. Schulsport, das kann man ohne Umschweife sagen, gehört nicht zu den Lieblingsfächern der CSU-Politiker! 

Grauschleier der gravierenden Missstände Dieser Grauschleier soll die gravierenden Missstände einer dilettantischen Regierungspolitik der CSU aus Unglaubwürdigkeit, falschen Versprechungen und schizoidem Handeln im vergangenen Jahrzehnt verschleiern.

40 000 Pflichtstunden U-Ausfall wöchentlich 40 000 (!) Pflichtstunden Schulsport, die in den Stundentafeln der bayerischen Schulen vorgeschrieben sind, fallen wöchentlich aus und ich frage hier ganz bewusst, in welchem anderen Schulfach wäre das möglich außer dem einzigen Bewegungsfach, das die Staatsregierung seit 1997 wie ein Mauerblümchen behandelt und mit Tricksereien und halbherzigen Versprechungen und Bekenntnissen versucht unter dem Deckel zu halten. Man könnte auch sagen, ob Stoiber, Beckstein oder Seehofer, die Unbeweglichkeit des Regierungslagers ist schon zu Starrheit verkommen.

Dilettantismus pur ! - Einsparungen Vor 13 Jahre meinte der damalige MP Stoiber –wahrscheinlich war er damals schon vom Entbürokratisierungswahn befallen - und dessen schlauer Finanzminister Erwin Huber, man könne 900 Sportlehrer-Planstellen im Rahmen der KIENBAUM-Studie mit nebenberuflichen Übungsleitern, die zu der Zeit, in der sie den nachmittäglichen Differenzierten Sportunterricht halten sollen, gar nicht zur Verfügung standen, ersetzen und auf einen Schlag 90 Mio. Euro einsparen. Dilettantismus pur!

Weg zum Frührentnertum – von Platz 1 auf 16 So setzte damals der Absturz im Ranking der Bundesländer, wo man im Schulsport auf Platz 1 stand, auf den letzten Rang ein, der bis heute anhält. Man könnte auch sagen, der konsequente von der CSU eingeleitete Weg der bayerischen Schüler zum Frührentnertum begann. Dramatische gesundheitliche Folgeschäden 40 000 Pflichtstunden Schulsport fallen seitdem wöchentlich aus, eine bildungspolitische Katastrophe, deren gesundheitspolitische Auswirkungen mit dramatischen Folgeschäden der Kinder nur die CSU zu verantworten hat!

Stoiber: In zehn Jahren! Als man 1999 den Fehler einsah, verkündete MP in einer Sitzung, man werde bis in zehn Jahren dies wieder rückgängig machen. Heute schreiben wir 2009, und meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrter Kultusminister nichts hat sich geändert!

Unglaubwürdigkeit CSU, leere Versprechen Und an diesem Beispiel zeigt sich wieder einmal die Unglaubwürdigkeit dieser CSU, großspurige Versprechen – Herr MP hören sie gut hin – und viel heiße Luft bleibt übrig. Da kann ich nur sagen im Hinblick auf ihren Europawahl-Slogan, nur wer der CSU die Stimme gibt, der ist wirklich verloren und verkauft!

Kognitive Leistungsfähigkeit steigt nach Sport und Musik Vielleicht sollte sich die Staatsregierung einmal Schweizer wissenschaftliche Studien vergegenwärtigen, dass nämlich nach dem Sport und Musikunterricht, sich auch die kognitive Leistungsfähigkeit steigern. Bayerns Schüler brauchen mehr Bewegung! Bayerns Schüler brauchen mehr Bewegung, meine sehr verehrten Damen und Herren! Bereits 9,3 Prozent der bayerischen Erstklässler (eine Zunahme von 3 % in 5 Jahren) sind übergewichtig und 3,9 Prozent der Kinder adipös sind. In den neunten Klassen sind es mittlerweile über 50% (Zunahme 20%). Rund 30% der Schulkinder leiden an massiven Störungen im koordinativen Bereich und das neue Gesundheitsproblem bei Kindern ist Typ 2-Diabetes. 60% der der Erstklässler haben Muskel- und Haltungsschwächen, 40% Herz-Kreislaufbeschwerden.

Unverständlich 2005 3. Sportstunde 1. Klasse gestrichen Deshalb ist es umso unverständlicher, dass das KM sich im klaren Bewusstsein – obwohl man das angesichts der Umstände anzweifeln muss - erst 2005 (!) unverständlicherweise die dritte Sportstunde gestrichen hat, sodass gerade die Kinder, die Bewegungserfahrung dringend nötig hätten und in einer Sitzkultur aufwachsen, noch weniger Bewegung haben und anstatt der in Stundentafel vorgesehenen 4 Stunden in den Grundschuljahrgängen nur zwei in Jahrgang 1 bzw. drei (Jahrgang 2-4) wirklich durchgeführt werden.

Deswegen fordern wir kurzfristig für alle Grundschuljahrgänge verbindlich drei Sportstunden und mittelfristig die tägliche Sportstunde, mit der im Übrigen die Länder Nordrhein-Westfalen (derzeit in Erprobung) und Baden-Württemberg bereits beste Erfahrungen gemacht haben. Regelmäßige tägliche Bewegungszeit – +kognitiv,-aggressiv, -Medienkonsum Schweizer Studien, die besagen, dass Schüler nach Sport und Musik bessere kognitive Leistungen zeigen, und auch solche aus den USA, zeigen auf – und das hat Prof. Pfeiffer dem Kabinett ja erst kürzlich deutlich gemacht – eine regelmäßige tägliche Bewegungszeit von einer Dreiviertelstunde zu weniger Aggressivität und weniger Medienkonsum und weniger Gewaltbereitschaft führen.

„Voll in Form“ Schaufenster-Projekt, tägliche Bewegungszeit schon seit 1985 Vielleicht, Herr Staatsminister, werden sie gleich argumentieren, dass man doch seit 2008 innerhalb des Stundenkonzepts bewegte Schule das Projekt „Voll in Form“ in der Grundschule per KMS-Empfehlung seit diesem Schuljahr verordnet hat. Doch da muss ich Sie einmal mehr an ihre Glaubwürdigkeit erinnern, die tägliche Bewegungszeit ist bereits seit 1985 (!) in der Stundentafel verzeichnet, eine Empfehlung, der sie also scheinbar seit 25 Jahren nicht ernsthaft nachgehen!

Tägliche Bewegungszeit ersetzt Schwitzen nicht! Außerdem hat eine tägliche Bewegungszeit ja nicht den Stellenwert von Sport an sich, denn hierbei kommen die Kinder ja nicht mal zum Schwitzen (und gerade das besagen ja die amerikanischen Studien ist nötig, um die Aggressivität und Gewaltbereitschaft zu senken)!

Zwei Sportstunden in der ersten Klasse sind gelinde ausgedrückt eine Katastrophe!

Ausmaß bei weiterführenden Schulen noch gravierender! In den weiterführenden Schulen ist das Ausmaß der Missstände im Schulsport noch gravierender. Das kann ich ihnen auch gut darlegen, denn 1991 wurden von dem Sollwert von vier Sportstunden in der Hauptschule noch 3,7 Stunden, im Gymnasium 3,0 und in der Realschule 2,8 Stunden gehalten. Als dann 1997 das Großreinemachen durch die KIENBAUM-Studie und den Größenwahn der Staatsregierung kam, waren es in der HS gerade mal noch 2,37, im Gymnasium 2,52 und in der Realschule 2,14 Stunden.

Weitere Kürzung im Zuge G8 um 38% 2009 sind wir bei der HS bei 2,65, den Gymnasien bei 2,55. Ganz verschwiegen wird noch die 38% Kürzung des Sportunterrichts im Zuge der G8-Einführung durch die Verdichtung des Lehrplans (2003).

Differenzierter Sportunterricht auf Null! Der Differenzierte Sportunterricht (DSU), der am Nachmittag den Schüler große Wahl- und Gestaltungsfreiheit bei der Wahl ihrer Sportart gestattete und das freudvolle Erleben von Bewegungserfahrung den Kindern ermöglichte und dadurch Sport als Spaß- und Lifetimesportart erleben ließ, wurde damit de facto auf Null gesetzt. Einsparung auf Kosten der Gesundheit der Kinder Damit wurden seitens der Staatsregierung auf Kosten der Gesundheit unserer Kinder und den Folgekosten der Steuerzahler für die Reparatur der Schädigungen ab 1997 jährlich 90 Millionen Euro eingespart. Mit zwei Millionen Euro meinte man diese mit billigen Übungsleitern ersetzen zu können und alle Planstellen in andere Fächern gegeben. Man entsann sich dann wieder einige Jahre später und stellte – man höre und staune – sogen. Sondermittel von 31 Mio Euro zur Erteilung der dritten Pflichtsportstunde zur Verfügung.

Da muss man sich schon fragen, in welchem anderen Fach wird die 3. und 4. Pflichtstunde mit Sondermitteln finanziert und ist deren Erteilung quasi von der finanziellen Situation abhängig? (Schizoide Verhaltensweise) Im letzten Doppelhaushalt kürzte man kurzerhand wieder einmal auf 29 Mio. und jetzt hat man sich wieder auf 31 Mio. Euro hochgedient.

Sehr geehrter Herr Staatsminister, es ist blanker Unsinn Pflichtstunden mit Sondermitteln auszustatten, wir brauchen hier Planstellen! Man stelle sich nur einmal vor, die dritte oder vierte Stunde Mathematik oder Deutsch würden über Sondermittel finanziert, was gäbe es da für einen Aufschrei in der Bevölkerung! BW: Sport statt Mathe und Deutsch Aber wiederum belegen die Erfahrungen in BW, dass der Wegfall je einer Stunde Mathematik und Deutsch und dem Ersatz durch Sport die kognitiven Leistungen hat ansteigen lassen, weil dadurch dem rhythmisierten Lernen aus Wissensvermittlung und Entspannung Vorschub geleistet wird.

90 Mio. Euro nötig 90 Mio. Euro, sehr geehrter Herr Staatsminister, wären hier nötig, das wäre nur etwa ein Fünftel der ab 2011 jährlich zu zahlenden Zinsen für die Bayern LB! Nur im Gegensatz zu den Zinsen des LB Kredites würden sich diese 90 Mio. Euro tatsächlich um ein Vielfaches verzinsen und könnten im Sozial- und Gesundheitsbereich wieder ausgeglichen werden.

31 Mio. Sondermittel – 3. Sportstunde 5 bis 7 – DSU tot Denn die 31 Mio. Euro Sondermittel reichen gerade einmal für die dritte (!) Sportstunde in den drei Schularten für die Klassen 5 bis 7 und damit bleibt der von den Schülern als freudvoll erlebte DSU weiterhin tot! Jeder Schüler hat dabei etwas gefunden!

SAG = Augenwischerei Auch die seitens des KMs proklamierten Schulsport-Arbeitsgemeinschaften sind eine reine Augenwischerei! Wahrscheinlich werden Sie sich hinstellen und mit 2500 SAG’s prahlen – in denen im Übrigen kein Lehrplan vorhanden ist und keinerlei Verantwortung gegenüber irgendwem durch die Vereinstrainer abzulegen ist.

Tropfen auf heißem Stein Das ist gerade mal ein Tropfen auf den heißen Stein, meine Damen und Herren, denn in anderen Ländern wie Sachsen oder BW, die in etwa von der Schülerzahl mit Bayern vergleichbar sind, hat man 5000 bzw. 7000, in NRW (1,5fache Schülerzahl) 9000 an der Zahl.

DSU = 16 000 Sportgruppen Zum Vergleich, 1996 – also zur Vernunft- und Blütezeit des bayerischen Schulsports - gab es 16 000 DSU-Gruppen! Damit sehen sie also, SAG’s haben den DSU weder aufgefangen noch ausgeglichen (Differenz von 11 000).

Außerunterrichtliche Sport Ich könnte ihnen jetzt auch noch weitere erschreckende Zahlen vom außerunterrichtlicher Sport, also den Schulsportwettbewerbe darlegen, aber aus Zeitgründen komme ich nicht dazu.

DSU de facto bei Null Der differenzierte Sportunterricht, der die ganze Vielfalt des Sports in 37 Sportarten möglich machte, ist de facto -außer an den leistungsorientierten Stützpunktschulen- bei Null.

Rückgewinnung der dritten Sportstunde Deshalb ist – und ich appelliere hier nur an die Vernunft der Staatsregierung - die Rückgewinnung der dritten Sportstunde kurzfristig unumgänglich und zu realisieren!

Mittelfristig alle im Lehrplan ausgewiesenen Pflichtstunden Mittelfristig – und nicht erst in zehn Jahren, denn ist es zu spät – muss das Kultusministerium seine eigenen Vorgaben, die in den Lehrstundentafeln vorgegeben Pflichtstunden an Sportunterricht zu erteilen, erfüllen!

Sport Mittel zur Prävention, Gesundheitserhaltung, Wertevermittlung Sport ist ein anerkanntes Mittel zur Prävention vor Gewalt, Kriminalität und Drogen, fördert neben der Gesundheit Werte wie Fairness, Teamgeist, Integrationsfähigkeit und macht auch geistig fit.

Schizoide Entwicklung: Während Bsp.-weise zu Recht für eine humanere Tierhaltung mit Freilaufgehegen usw. bei Legehennen und Zuchtvieh gekämpft wird, akzeptiert man ohne entschlossenen Widerstand die abnehmende Zahl der Sportstunden an den Schulen – und das obwohl die krankmachende Bedeutung des Bewegungsmangels bekannt ist.

Studien aus der menschlichen Entwicklungsgeschichte, der Medizin und Verhaltensforschung sprechen eindeutig für die Belastungsnotwendigkeit des Organismus zu seinem Erhalt bzw. zur Verbesserung seiner Funktionstüchtigkeit. Körperliche Inaktivität hingegen bedeutet Funktionsverlust, verminderte Organqualität (Atrophie) und letztendlich Krankheit.




 

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