Die Schattenseiten des TTIP

27 Mai 2014

Die Schattenseiten des TTIP

Blinker und Chlorhühner: Wie sich das Transatlantische Freihandelsabkommen auf die Region auswirken könnte


Hätte man vor knapp zwei Monaten auf der Straße gefragt was das Kürzel TTIP bedeutet, hätte es vor allem verständnislose Blicke gegeben. Inzwischen haben die vier Buchstaben Karriere gemacht. TTIP, das Transatlantische Freihandels- abkommen zwischen der Europäischen Union und den Vereinigten Staaten, ist in aller Munde – und mit jeder Woche, die verstreicht, wächst die Zahl der Kritiker: Schadensersatzklagen, die große Konzerne gegen Staaten fahren können, Hormone im Fleisch und künstliches Saatgut auf den Feldern sind einige Punkte, die neuerdings immer häufiger aufkommen.


Im Grunde ist schnell erzählt, was die EU und USA mit dem Freihandelsabkommen wollen. Es geht darum, untereinander leichter Waren auszutauschen und so die Wirtschaft anzukurbeln. Befürworter des Abkommens erzählen dann das Beispiel der Blinker, die in den USA orange, in der EU gelb sein müssen. Eine willkürliche Norm, die aber Autoherstellern das Leben schwermacht. Mit dem TTIP würden sich die Vereinigten Staaten und die Europäische Union bereit erklären, die Norm des anderen anzuerkennen und den Autobauern dadurch helfen, Zeit und Geld zu sparen.




Erich Westendarp  / pixelio.de

Erich Westendarp / pixelio.de


Gegner, zu denen ich auch gehöre, erzählen das Beispiel vom Chlorhuhn. In den USA ist es nämlich üblich, Hühner in Chlor zu baden, um sie möglichst keimfrei auf den Tisch zu bringen. In der EU ist das vom Lebensmittelrecht her unmöglich. Wie ich finde zu Recht! Akzeptieren EU und USA also die Genehmigungsverfahren des jeweils anderen, kommt auch das mit Chlor versetzte Huhn in die Fleischtheke. Pfuideifl! Deshalb sehe ich als Kritiker das TTIP als den Tod der Demokratie – hingegen glauben Befürworter an die Zukunft und werden nicht müde zu betonen, dass die Verhandlungen noch laufen und die Informationen, die an die Öffentlichkeit gedrungen sind, nur einen sehr verzerrten Blick auf das Abkommen ermöglichen. Aber genau in diesem Punkt liegt meiner Ansicht nach der Knackpunkt: Wir brauchen Transparenz bei den Verhandlungen und kein Hinterzimmer-Gemoschel! Einig sind sich in einem Punkt alle: Kommt das TTIP, wird es sich auf alle Bereiche auswirken – auch auf die direkt vor der Haustüre.


Für mich ist die Situation klar: Freihandelsabkommen können die kommunale Daseinsvorsorge gefährden. Damit könnte sogar die Trinkwasserversorgung in öffentlicher Hand bedroht sein. Zwar bestreiten das wiederum die sogenannten Befürworter, aber Fakt ist, dass die Trinkwasserprivatisierung erst einmal auf Eis gelegt wurde, aber noch nicht endgültig ad acta. Deshalb sind die Bürger zu Recht verunsichert und ich höre immer wieder besorgte Menschen fragen: TTIP, was ist das? Warum sollte mich etwas, das in der EU verhandelt wird, interessieren? Doch das Freihandelsabkommen kann sich auch auf die Felder der Landwirte in der Region auswirken: Wenn eine Genmaissorte in den USA zugelassen wird, müsste diese automatisch auch in der EU zugelassen werden. Damit sind alle unsere Bemühungen zunichte, gen-technisch veränderte Pflanzen von unsren Äckern fern zu halten.


Ziel des Freihandelsabkommens ist es, mehr Wachstum für die EU und die USA zu erzielen. EU-Kommissar Karel De Gucht lässt bei seiner Werbetour für das Abkommen Zahlen sprechen: Der Wegfall von Exportschranken in die USA bringe Europa 120 Milliarden Euro mehr Wirtschaftsleistung im Jahr. Ein Drittel aller Exporte in die USA seien deutsch. Wir leben in einer globalisierten Welt, das sei nicht zu ändern, aber wir wollen sie wenigstens gestalten. Da bin ich durchaus anderer Meinung. Wir brauchen diese höheren Handelsschranken, denn fallen erst einmal die Schranken, sind die Folgen nicht mehr zu kanalisieren.


Nach Schätzungen könnte das Freihandelsabkommen zwischen EU und USA die Wirtschaftsleistung um 0,5 Prozent jährlich steigern. Da muss ich ganz klar sagen, das ist mir zu wenig für das damit verbundene Risiko. Zwar würde dies Experten-Prognosen zufolge Hunderttausende neue Arbeitsplätze europaweit bedeuten, vielleicht auch ein paar in unserer Region, aber auch da sage ich: Arbeitsplätze können wir auch anders rekrutieren.


Insofern habe ich einen klaren Standpunkt: Wir sollten die hohen EU-Standards behalten und auf das Freihandelsabkommen mit den USA in der jetzigen Form verzichten. Denn wir wollen weder Gentechnik auf unseren bayerischen Feldern noch Klonfleisch oder Chlorhühnchen haben.




Rosel Eckstein  / pixelio.de

Rosel Eckstein / pixelio.de


Und zu 0,5 Prozent Wirtschaftswachstum im Jahr muss man zum Vergleich wissen, dass Deutschlands  Wirtschaft allein im vergangenen Jahr um 0,8 Prozent gewachsen ist. Und das ganz ohne TTIP! Insofern rechtfertigt dieses Argument kein Abkommen wie TTIP. Denn für so einen geringen Prozentsatz Wirtschaftswachstum möchte ich die Demokratie nicht aufs Spiel setzen. Diese könnte unter anderem durch den Teil „Investorenschutz“ im Abkommen ausgehöhlt werden. Ihn können ausländische Konzerne nutzen, wenn sie ihre Rechte verletzt sehen. Dann dürfen sie gegen Staaten vor ein Schiedsgericht ziehen. Ein Passus, der in vielen Abkommen vorkommt – und der inzwischen in Verruf geraten ist. Konzerne nutzen ihn immer stärker, um gegen unliebsame Gesetze und Auflagen der Industriestaaten vorzugehen. Zwei Fälle ragen dabei heraus: die Klagen von Philip Morris gegen die Tabakgesetze in Australien und von Vattenfall gegen den Atomausstieg. Der Philip-Morris-Konzern fordert mehrere Milliarden Australische Dollar, 3,5 Milliarden Euro Schadensersatz fordern die Schweden von Deutschland.


Auch wenn die Verhandlungen zum Investorenschutz gerade auf Eis gelegt sind, die Bevölkerung weiß von TTIP wenig, und das ist der größte Kritikpunkt. Die Informationspolitik der EU ist schlecht. Deshalb bin ich jetzt froh, dass mit meiner Noch-Landtagskollegin Ulrike Müller nun eine Freie Wählerin ins EU-Parlament einzieht. Unser Fraktions-Chef Hubert Aiwanger fordert sogar eine Volksabstimmung über das Abkommen. Da hat er gar nicht so Unrecht, denn damit würde man die Menschen endlich bei so wichtigen und folgeschweren Entscheidungen mitnehmen und einen Beitrag dazu leisten, dass die Politik- und/oder Europa-Verdrossenheit abgebaut werden könnte. Sicher wird man Abkommen dieser Art, von denen es ja in Deutschland und in der EU eine Unmenge gibt, nie völlig öffentlich verhandeln können. Aber ich habe Verständnis für den Wunsch nach Transparenz und fordere diese selber ein.


Die gab es übrigens schon vor ein paar Jahren bei den Verhandlungen zum Anti-Produktpiraterie-Handelsabkommen (ACTA), das ebenfalls auf starke Kritik stieß. Doch der Protest der Bevölkerung wurde nicht weniger. Kurze Zeit später legte die EU die Verhandlungen für das Abkommen auf Eis.



 

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