Räume mit besonderem Handlungsbedarf im Landesentwicklungsprogramm: Eine sinnvoll gewählte Kategorie?

7 Februar 2017

Räume mit besonderem Handlungsbedarf im Landesentwicklungsprogramm: Eine sinnvoll gewählte Kategorie?

Den Kommunalpolitikern ist der Begriff des Raums mit besonderem Handlungsbedarf (RmbH) durchaus ein Begriff. Der Nichtinsider kann die Bedeutung jedoch relativ schnell erschließen.


Der RmbH war bereits im März 2015 Gegenstand eines Blogs auf meiner Homepage. Ich möchte diesen Begriff nun, rund zwei Jahre später, noch einmal aufgreifen und darstellen, was man unter einem Raum mit besonderem Handlungsbedarf versteht, welche Bedeutung er für das Landesentwicklungsprogramm Bayerns besitzt und warum er in den letzten Monaten wieder in den Fokus verschiedenster Akteure geraten ist.


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Was versteht man unter einem Raum mit besonderem Handlungsbedarf?


Als RmbH gelten Kommunen und Landkreise, die laut Landesentwicklungsplan wegen Strukturschwäche besonders zu entwickeln sind. Welche Gebiete zu solchen strukturschwachen Räumen gezählt werden, wird anhand eines sogenannten „Strukturindikators“ ermittelt.


Nach der Regelung von 2013 wurde zunächst jede Gemeinde als RmbH eigeordnet, deren Strukturindikator weniger als 85 Prozent des bayerischen Durchschnitts erreichte. In der Kabinettssitzung vom 12. Juli 2016 wurde dieses Kriterium kürzlich aufgeweicht. Künftig soll ein Strukturindikator unterhalb von 90 Prozent des bayerischen Durchschnitts ausreichen, damit eine Kommune zum Raum mit besonderem Handlungsbedarf erklärt wird. Auf diese Erweiterung möchte ich weiter unten noch einmal genauer eingehen.


Zunächst aber mehr zum Begriff des Strukturindikators. Dieser setzt sich aus verschieden-gewichteten Kenngrößen zusammen.


Für Kreisregionen werden aktuell folgende Faktoren herangezogen:


-        Bevölkerungsprognose des Landesamts für Statistik 2014 bis 2034 (Anteil am Gesamtindikator 30 Prozent)


-        Arbeitslosenquote 2011 bis 2015 im fünfjährigen Jahresdurchschnitt (Anteil am Gesamtindikator 30 Prozent)


-        Beschäftigtendichte am 30.06. im fünfjährigen Jahresdurchschnitt 2011 bis 2015 (Anteil am Gesamtindikator 10 Prozent)


-    Verfügbares Einkommen der privaten Haushalte je Einwohner 2009 bis 2013 im fünfjährigen Jahresdurchschnitt (Anteil am Gesamtindikator 20 Prozent)


-        Wanderungssaldo der 18- bis unter 30-jährigen je 1.000 Einwohner dieser Altersgruppe 2010 bis 2014 im fünfjährigen Jahresdurchschnitt (Anteil am Gesamtindikator 10 Prozent)


Für Gemeinden werden aktuell folgende Faktoren herangezogen:


-        Bevölkerungsprognose des Landesamts für Statistik 2014 bis 2028 (Anteil am Gesamtindikator 30 Prozent)


-        Arbeitslose 2011 bis 2015 (Arbeitslose je 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte am Wohnort und Arbeitslose; Stichtag jeweils 30.06., Fünfjahresdurchschnitt) (Anteil am Gesamtindikator 30 Prozent)


-        Beschäftigtendichte am 30.06. im fünfjährigen Jahresdurchschnitt 2011 bis 2015 (Anteil am Gesamtindikator 10 Prozent)


-        Einkünfte je Steuerpflichtigem 2010 in Euro (Anteil am Gesamtindikator 20 Prozent)


-        Wanderungssaldo der 18- bis unter 30-jährigen je 1.000 Einwohner dieser Altersgruppe 2010 bis 2014 im fünfjährigen Jahresdurchschnitt (Anteil am Gesamtindikator 10 Prozent)


Welche Rolle spielt der Begriff des RmbH für das Landesentwicklungsprogramm?


Räume mit besonderem Handlungsbedarf erhalten in der Regel günstigere Konditionen für verschiedene Förderprogramme. So erhalten sie beispielsweise höhere Fördersätze beim Breitbandausbau. Diese systematische und gewollte Bevorteilung soll dem Zweck dienen, gleichwertige Lebensbedingungen im gesamten Freistaat herzustellen.


Für weitere Erläuterungen zu diesem Aspekt, verweise ich auch den Blog aus dem März 2015.


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Warum sind die RmbHs mittlerweile wieder in aller Munde?


Wie oben bereits angerissen hat das Kabinett im Juli 2016 beschlossen, die Kategorie des Raumes mit besonderem Handlungsbedarf zu erweitern. Wie bereits angesprochen reicht nun ein Strukturindikator unterhalb von 90 Prozent des bayerischen Durchschnitts, damit eine Kommune oder ein Landkreis als RmbH eingeordnet wird.  Darüber hinaus soll auch keiner Region, die bereits 2013 zum RmbH erklärt wurde, diese Etikettierung wieder abgenommen werden, unabhängig davon, ob ihr Strukturindikator mittlerweile nicht mehr den entsprechenden Kriterien entspricht.


Das führt dazu, dass aktuell insgesamt 33 Kreisregionen und 150 Gemeinden außerhalb dieser Kreisregionen als RmbH festgelegt werden. Zum Vergleich: Nach der letzten Erweiterung durch Ministerratsbeschluss vom 5. August 2014 zählten noch lediglich 11 Landkreise mit 150 Einzelgemeinden zu den RmbHs.


Es drängt sich der Eindruck auf, dass mittlerweile die Hälfte Bayerns zum Raum mit besonderem Handlungsbedarf erklärt wurde. Das lässt einerseits die Vermutung zu, dass wir von gleichwertigen Lebensbedingungen in Bayern weit entfernt sind. Andererseits muss die Frage gestellt werden, ob angesichts der hohen Anzahl von RmbHs eine effektive Förderung der wirklich bedürftigen Kommunen noch möglich ist. Es liegt auf der Hand, dass die Töpfe, die zur Förderung von Räumen mit besonderem Handlungsbedarf zur Verfügung gestellt werden, entsprechend aufgestockt werden müssen. Andernfalls würde man Gefahr laufen, dass sich eine Art Gieskannen-Prinzip etabliert, nach dem überall irgendwie, aber nirgendwo gezielt und angemessen gefördert werden kann.


Aus meiner Schiftlichen Anfrage zu den Räumen mit besonderem Handlungsbedarf geht hervor, welche einzelnen Kommunen und Landkreise aktuell zu dieser Kategorie gezählt werden. Leider enthält die Antwort der Staatsregierung keine konkreten Angaben über die Höhe der Fördergelder, die in der Vergangenheit in Räume mit besonderem Handlungsbedarf geflossen sind beziehungsweise in Zukunft in solche fließen sollen.


Über neue Erkenntnisse werde ich Sie wie gewohnt fortlaufend informieren.


(Dieser Beitrag wurde zuletzt am 15. Main 2017 aktualisiert)



 

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