Auch in Bayern wird „gewulfft“

6 Februar 2012

Auch in Bayern wird „gewulfft“

Letzte Woche war ich als Gast wieder einmal im Petitionsausschuss. Grund war die öffentliche Toilettenanlage in meiner Heimatstadt Gemünden. Diese ist nicht barrierefrei und dafür setzt sich ein Petent ein, den ich dabei unterstütze, weil ich nicht nur für die Inklusion politisch kämpfe, sondern sie auch in die Tat umgesetzt haben möchte. Ein Vor-Ort-Termin soll die strittige Thematik nun beleuchten. Aber im Petitionsausschuss gab es noch eine weitere sehr interessante Petition, die ich Ihnen nicht vor enthalten möchte und die darlegt, wie in Bayern immer noch Politik gemacht wird.


Eine idyllische Bootshütte am Chiemsee mit Blick auf die Berge, Besitzer ist eine gewisser Severin K., Sohn des früheren Münchner OB Erich K. (CSU). K. junior darf sich nun für seine Bootshütte bei der Partei seines Vaters bedanken. Die beendete gestern im Landtag einen jahrelangen Streit, ob die strengen Bauvorschriften für den Politikersohn, der ein angesehener Anwalt in Rosenheim ist, im dortigen Landratsamt zu großzügig ausgelegt wurden. Er muss seine Hütte nicht abreißen.


"Da wird ordentlich gewulfft", empörte sich meine Fraktionskollegin, Claudia Jung, in der turbulenten Sitzung zurecht: "Ich kann's gar nicht glauben. Da stehen einem ja die Haare zu Berge. Jeder Otto-Normalverbraucher würde vom Landratsamt eins drüberkriegen“. Doch nicht CSU-Politikersohn Severin K., für ihn gelten scheinbar andere – CSU – Rechte.


Als K. die Bootshütte 2006 kaufte, war sie ein Schwarzbau, hatte aber Bestandsschutz. Das heißt: Jedes Jahr darf ein Drittel erneuert werden. Ausgenommen ist laut Gesetz aber das "statische Grundgerüst". Wird das verändert, muss abgerissen werden. Das ist der Knackpunkt: Denn beim Erwerb stand das Häuschen auf 45 runden hölzernen Grundstempen, die im See zu versinken drohten. K. ließ sie austauschen durch 16 wuchtige viereckige Pfähle aus afrikanischem Bongossi-Holz, das im Wasser hundert Jahre überdauert.


Wie aber konnte das funktionieren, ohne die Hütte zu heben und damit das "statische Grundgerüst" zu verändern? fragten sich die Oppositionspolitiker.  Eingeschaltet hat den Landtag der parteifreie Gemeinderat aus Rimsting, Johann Nußbaum. Er kämpft seit Jahren für den Abriss der K.-Hütte. Denn auch die Gemeinde hatte damals eine Hütte am See gekauft, musste sie aber auf Anordnung des Landratsamts entfernen. "Da müsste man ja die Pfosten von Neuseeland aus eingraben", erläuterte Nußbaum den Abgeordneten. "Das ist wie bei einer Schuhsohle. Wenn man die Schuhe neu besohlen will, muss man sie erst hochheben." Außerdem gebe es sogar einen Zeugen, der gesehen habe, wie die Hütte hochgehoben worden sei.


Das leuchtete Claudia Jung ein: "Wenn man nur ein bisschen darüber nachdenkt, weiß man doch, dass man die Pfähle gar nicht erneuern kann, ohne die Hütte kurz wegzuheben." Aber genau darüber wollten CSU und FDP im Landtag nicht nachdenken. Ein Gutachten, das endgültig klären sollte, wie die wuchtigen Pfähle nun in den See geschlagen werden konnten, lehnte die Koalition rigoros ab. Auch das Innenministerium als oberste Baubehörde hatte von Anfang an ein Gutachten boykottiert und erklärt: Damit entstünden nur "unnötige Kosten". Würde der Freistaat hier eines in Auftrag geben, müsste er das in allen anderen strittigen Fällen auch tun.


Severin K. hatte in all den Jahren versichert, er habe sich an alle Vorschriften gehalten. Politiker, die das Verfahren kritisierten, und Journalisten, die darüber berichteten, verklagte er durch alle Instanzen: Sein Name und der seines Vaters sollten in der Öffentlichkeit nicht erscheinen. Gerade deshalb schreibe ich Ihnen diese Geschichte.


Damit aber hatte er weniger Erfolg: Die Richter des Oberlandesgerichts München entschieden: "Zu einer kritischen Berichterstattung im Hinblick auf die Frage, ob dem Kläger als Sohn eines ehemaligen hochrangigen CSU-Politikers Privilegien gewährt wurden, gehört auch und gerade die Namensnennung des Vaters.“




Bei einer solchen Hütte hat Severin Kiesl am Chiemsee die Pfähle, auf denen die Hütte im Wasser steht ausgetauscht, ohne die Hütte bewegen zu müssen. Eine wahre Meisterleistung! Foto: Mathias Berger/ PIXELIO



 

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